Sicher haben Sie auch schon versucht, einem Heranwachsenden ein sinnvolles Weihnachts-Geschenk zu machen. Nein, nicht einfach mehr von dem, was schon vorhanden ist, sondern etwas pädagogisch Sinnvolles. Etwas, das den Teenager voranbringt im Leben. Neue Einsichten sollen sich öffnen, Fertigkeiten gefördert werden!

Die Analogie zur Beschaffungvon Business Software ist durchaus vorhanden, auch wenn beim Preis einige Nullen mehr zu leisten sind. Da ist die Analogie im Angebot: Absolut unüberschaubar. Oder die Analogie in der Werbung: Alles strotzt vor Superlativen. Die Analogie beim Abnehmer: Die Ungewissheit, dass mit dem Geschenk wirklich der erhoffte Entwicklungsschritt gemacht wird. Und irgendwann taucht noch die bohrende Frage auf: Muss es wirklich ein käufliches Produkt sein, oder wäre vielleicht Eigenleistung sinnvoller? Und dann ist da noch die Zeit nach dem Kauf. Der Versuch, die Modelleisenbahn umzutauschen, weil einfach nur der Vater am Aufbauen Gefallen fand.

Die Suche nach dem Gleichgewicht …

Die Huhn-Ei-Problematik stellt sich in den IT-Projekten ähnlich wie beim anspruchsvollen Weihnachtsgeschenk. Wie etwas ankommt, wirkt und gebraucht wird, weiss man letztlich erst, wenn man es in Betrieb hat. Vor der Inbetriebnahme kommt aber die Beschaffung und da sollte man schon wissen, was man eigentlich will, wie es wirken soll und zu gebrauchen ist. Wildes Ausprobieren verschiedenster Produkte ist weder bei Weihnachtsgeschenken noch bei ERP-Systemen wirklich gut möglich.

Nicht nur finanzielle Gründe sprechen dagegen, in erster Linie steht die Zeit nicht zur Verfügung. Einige Weihnachten später ist das Kind erwachsen und für gut gemeinte pädagogische Absichten nicht mehr so leicht zugänglich. Das naheliegende Ausprobieren hätte eigentlich zum Ziel, sowohl die Bedürfnisse als auch das Marktangebot besser kennenzulernen. Es ist ein iterativer Prozess auf der «ewigen Suche nach dem Gleichgewicht ». Frei nach Adam Smiths Buch «Wohlstand der Nationen» von 1776 sollen Angebot und Nachfrage zur Deckung gebracht werden.

Mut für neue Wege

Ungeachtet der Nachfrage werden an Weihnachten Waren aus dem überwältigenden Angebot an die Empfänger transferiert. Ob die Empfänger damit glücklich werden, ist abhängig von deren Bedürfnissen oder eben: der Nachfrage. Die erfolgreiche Beschaffung ist damit eigentlich auf die ganz simple Formel zu bringen: Es sind lediglich Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen. Viele wissenschaftliche Untersuchungen von ERP-Projekten zeigen, dass hier gleich mehrere häufige reproduzierte Möglichkeiten zum Misserfolg liegen:

  • Die Nachfrage wird zu wenig berücksichtigt. Die Mitarbeitenden sind letztlich dazu aufgefordert, mit der Software zu arbeiten. Sie sollten deshalb in die Beschaffung involviert werden. Ein partizipativer Ansatz ist zwar ein Stück weit mühsam und zeitraubend, aber auf lange Sicht ein hauptsächlicher Erfolgsfaktor.
  • Das Angebot ist zu wenig bekannt und wird zu wenig genutzt. Die neue Software soll die Firma erfolgreicher machen, so lautet die unbescheidene Erwartungshaltung an das Projekt.

Aber nur wenn sich etwas ändert, besteht auch die Chance, dass etwas besser wird! Neben den Kenntnissen, welche Möglichkeiten verfügbar sind, muss auch der Mut vorhanden sein, neue Wege zu denken und zu gehen. Mit neuen Tools die alten Abläufe nachzubilden, erfüllt nur in wenigen Fällen die gesetzten Erwartungen. Die beiden hier aufgeführten Erfolgsfaktoren hängen zusammen. Der partizipative Ansatz steht zunächst im Widerspruch zur gesuchten Innovation. Steht die Innovation im Vordergrund, wird oft recht einsam entschieden, was für das Wohl des Unternehmens gut ist. Die Frustration ist gross, wenn dann die Basis bockt und zeigt, dass der Vordenker einige wichtige Aspekte übersehen hat. Oder anders gesagt: Die Modelleisenbahn hat vielleicht trotz modernster Digitaltechnologie keine Begeisterungsstürme ausgelöst.

Signalwirkung nicht unterschätzen

Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen, funktioniert fast immer nur über viel Engagement und Zeit. Gut möglich, dass sich die Modelleisenbahn doch noch als Plattform für die gesuchte Weiterbildung entpuppt, wenn man in der Lage ist, die spezifischen Aspekte herauszuschälen, welche die Interessen des Beschenkten ansprechen. Die Nachfrage in die gewünschte Richtung ist beim Beschenkten behutsam zu entwickeln. Zugegeben, das ist hohe Kunst und nicht an der Kasse im Spielwarengeschäft zu haben. Dort wird die Nachfrage zwar vehement gefördert, aber wohl eher mit dem Profit im Hinterkopf als mit hehren pädagogischen Motiven. Damit wird gleich ein weiterer Erfolgsfaktor für die Beschaffung und Einführung von Business Software offensichtlich:

  • Beschaffung und Einführung einer Business Software sind Chefsache. Nicht in dem Sinn, dass der Chef das machen soll und möglichst noch ganz allein, sondern dass das Management den nötigen Freiraum für das Projekt schafft. Mitarbeitende, Zeit und Geld sind die wichtigsten Ressourcen, die zur Verfügung stehen müssen. Daneben ist aber auch die Signalwirkung nicht zu unterschätzen. Steht das Management hinter dem Projekt? Werden wirklich ernsthafte Änderungen zugelassen und sogar durchgesetzt?

Möglichst schnell «spielen» können?

Endlich hat also der Junior das «geile» Ballerspiel für seine Spielkonsole erhalten. Das Geschenkpapier fliegt durch die Luft, eine Minute später ist er in die Action vertieft. Wow – so schnell – und von diesem Zeitpunkt an mehr oder weniger repetitiv. Der Erwachsene kratzt sich am Kopf und fragt sich, woher sein ungutes Gefühl kommt. Von der Gewaltdarstellung? Ja, vielleicht. Aber vielmehr noch vom enorm kleinen Nutzen in Bezug auf die junge Karriere. Da mag auch das feinmotorische Training für zwei oder drei Finger nicht gross zu trösten. In der Geschäftswelt aber, ist dort alles ganz anders? Mit der minimalen Zeitspanne vom Auspacken bis zur Action wird sogar geworben. Und vor dem Auspacken sollen die Mitarbeitenden möglichst auch keine Zeit verschwenden. Als Lerneffekt liegt allenfalls noch die Benutzerschulung drin. Aber ist das viel mehr als das feinmotorische Training von zwei oder drei Fingern? Eine grosse Chance für das Unternehmen wie auch für die Mitarbeitenden ist in der Entwicklung der Prozesse zu sehen. Hier kann das ganze Methoden- Arsenal von KPI über Kaizen, TQM, KVP, BPR aufgefahren werden, je nach Unternehmensphilosophie. Gerade auch bei kleineren Firmen darf die Prozessentwicklung durchaus auch etwas weniger hochtrabend, dafür verständlicher ablaufen. Aber Ziel und Erfolgsdefinition bleiben gleich: Die optimierten Abläufe und die Mitarbeitenden in der Firma werden längerfristig umfassend von der geeigneten Software unterstützt.

Anregungen einholen

In der Praxis zeigt sich eine beachtliche Schwierigkeit im erwähnten Huhn-Ei-Kreislauf. Der Junge kennt das Ballergame, nicht aber die Verlockungen pädagogisch wertvoller Experimentierfelder. Der Schenkende sieht sich in ähnlichem Dilemma. Als Amateur im Spielwarenbusiness sind allenfalls noch verklärte Erinnerun-gen an die Spielzeug-Dampfmaschine vorhanden, aber damit lockt man heute definitiv keinen Teenager mehr aus der Reserve. Das Angebot und die Möglichkeiten haben sich in den letzten Jahren dramatisch geändert, ähnlich wie in der Softwarebranche. Hier ist guter Rat gefragt, um den Lernprozess im Huhn-Ei-Kreislauf zu beschleunigen. Guter Rat von jemandem, der das Unternehmen darin unterstützt, speditiv Sollprozesse zu entwickeln, welche einen echten Fortschritt ermöglichen, und dabei die Mitarbeitenden einbezieht. Verschiedene Quellen bieten sich an; holen Sie Anregungen zur Prozessverbesserung von:

  • IT-Anbietern: Die Programmierer des Ego-Shooters «Doom 3» für pädagogische Tipps beiziehen? So arg muss es in der Spielwarenwelt nicht zugehen und geht es bei den Herstellern der Business Software definitiv nicht zu. Natürlich sind die Softwareanbieter Partei und möchten ihre Produkte verkaufen, daraus macht auch niemand ein Geheimnis. Sie verfügen aber auch über einen enormen Erfahrungsschatz aus vielen verschiedenen Projekten. Zu prüfen ist, ob diese Erfahrungen für Ihren Fall nutzbringend sein können.
  • Referenz-Installationen: Erfolgreiche Installationen zeigen, dass eine bestimmte Konstellation von Software, Anbieter und Anwender zusammen funktioniert. Vielleicht gibt es daraus interessante Anregungen, wie Sie Ihre Prozesse verbessern könnten. Direkt übertragbar sind diese Fälle aber genauso wenig, wie auch nicht alle Jugendlichen die gleichen Verhaltensmuster zeigen, um beim Parallel-Beispiel zu bleiben.
  • Best Practices: Auch aus eher akademischen Sammlungen können gute Anregungen gewonnen werden. Ein brauchbares Beispiel ist das SCOR-Modell.
  • Beratern: Sollten Sie in der Vorgehensmethodik unterstützen können, die aktuellen Trends kennen und die Erfahrungen aus verschiedensten Projekten geeignet einbringen. Das kostet zwar, kann aber die gesuchten Lernprozesse mit Prozessentwicklung und optimaler IT-Unterstützung enorm beschleunigen.

 Der Termin: Gesetzt ist gesetzt?

Beschleunigung ist in den Verbesserungsprojekten generell sehr gefragt. Beschleunigung ist die Änderung der Geschwindigkeit, sie ist eine Funktion der Zeit. Damit wäre noch eine weitere Analogie zum Weihnachtsgeschenk zu erwähnen: der Termin. Jedes IT-Projekt muss grundsätzlich am 1. Januar zur Zufriedenheit aller Beteiligten abgeschlossen sein. Warum dieser Termin genau so gesetzt ist, bleibt wie im Fall des Weihnachtstages im Dunkeln der Geschichte verborgen.

Dr. Marcel Siegenthaler

Dr. Marcel Siegenthaler ist Partner der schmid + siegenthaler consulting gmbh und unterstützt Unternehmen bei der Evaluation und Einführung von Business Software. Er leitet das Consulting Team von schmid + siegenthaler.