Der überall gehörte Ausdruck «Industrie 4.0» lässt schnell mal vermuten, dass das Thema nur für Industriebetriebe relevant sei. Doch dem ist überhaupt nicht so, der Begriff ist dahingehend ziemlich irreführend. Auch Dienstleistungsunternehmen, Behörden, ja sogar die Privathaushalte können und werden davon profitieren – oder zumindest betroffen sein. Doch was ist Industrie 4.0 genau? Wir versuchen, das kurz zu beleuchten.

Die Vernetzung ist der Treiber der 4. Industrielle Revolution

Wird die Vernetzung Realität oder ist sie ein Hirngespinst?

Es gibt, wenn man etwas sucht, über 100 Definitionen(!), was mit diesem Begriff gemeint sein könnte. Das zeigt, dass es eigentlich niemand so ganz genau weiss.

Auch gibt es Stimmen die zu bedenken geben, dass da künstlich ein Bezug zu Entwicklungen in der Vergangenheit hergestellt wird. Schliesslich sei damals keine der drei vorangehenden «industriellen Revolutionen» als solche bezeichnet worden, erst im Nachhinein wurden diese als solche gesehen.

 

Sie ist noch nicht da – ist es trotzdem eine Revolution?

Doch diesmal sprechen wir von einer Revolution, bevor diese überhaupt da ist. Kommt sie? Ist es nur ein Hirngespinst? Ist der Hype übertrieben?

Entstanden ist die Bezeichnung «Industrie 4.0» übrigens in Deutschland – auf Englisch gibt es diesen Ausdruck nicht, also kein «Industry 4.0» oder so. Doch wie kam man überhaupt auf diesem Begriff?

Die «Erfinder» gehen davon aus, dass wir nun an den Anfängen der 4. Industriellen Revolution stehen, erklärt wird das so:

  • Die Industrielle Revolution fand Ende des 18. Jahrhunderts statt durch Einführung der Dampfmaschine und Nutzung der Wasserkraft. Es war die Zeit der Mechanik.
  • Dann folgte die 2. Revolution zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als mit der Elektrizität die Massenproduktion am Fliessband möglich wurde. Das Zeitalter der Analogelektronik begann.
  • Zu Beginn der 1970er Jahre kam es wohl zur 3. Revolution, als die Elektronik und erste Computer die Automatisierung der Produktion vorantrieben. Die Informatik übernahm langsam das Zepter.
  • Und jetzt sorgt der Einsatz von Computern bei praktisch jedem Gerät für die vielbeschworene
    4. Industrielle Revolution. In der Produktion kommen Cyber Physical Production Systems (CPPS) zur Anwendung. Nun treibt uns die Vernetzung an.

Tatsächlich ist es wirklich die Vernetzung, die durch das Schlagwort «Industrie 4.0» in erster Linie bezeichnet wird. Computergestützte Systeme und Arbeiten gibt es ja schon lange, doch nun überschreiten die Informatiksysteme eben immer mehr die Unternehmensgrenzen. Aber auch die Transparenz der Daten (Big Data), Assistenzsysteme und intelligente Software sowie Roboter gehören in der einen oder der anderen Form zur Definition des Schlagworts.

Die einzelnen Firmen vernetzen sich untereinander, mit den Lieferanten, mit den Kunden. Daten werden ausgetauscht und Servicebedarf oder Reparaturaufträge von den Systemen automatisch erstellt. Daten verschiedener Quellen werden zusammengefasst, der Mensch dadurch immer gläserner. Die Systeme und Dinge werden «intelligent», der Mensch fällt als Fehlerfaktor in immer mehr Bereichen weg.

Alle Branchen und Bereiche sind betroffen

Dabei geht es nicht nur um die Arbeitswelt, auch überall sonst könnte die 4. Industrielle Revolution Einfluss nehmen. Auch im Privaten wird unser Leben in naher Zukunft gemäss verschiedener Szenarien so ziemlich auf den Kopf gestellt.

Industrie 4.0 hat viele GesichterDie Arbeitsmodelle werden sich verändern, verkrustete Strukturen mit festen Arbeitszeiten und -orten so auch aufgeweicht. Neue individualisierte Beschäftigungsmöglichkeiten können entstehen und ermöglichen ein anderes Freizeitverhalten.

Doch auch Zuhause steht vielleicht schon bald kein Stein mehr auf dem anderen. So kann es zum Beispiel sein, dass Ihre Waschmaschine zuhause selbst bemerkt, dass sie ein Leck hat und sie selbständig den Servicetechniker ruft und Sie darüber per Handy informiert. Oder der Kühlschrank bestellt im Online Shop automatisch Milch und Eier, weil die eingestellte Soll-Menge unterschritten worden ist. Diese Funktionen gehören in den Bereich des IoT, des Internet of Things. Die Möglichkeiten dafür sind beinahe grenzenlos.

Doch ist das wirklich der grosse Wurf? Wird das unser Leben wirklich so stark beeinflussen oder gar verbessern, wie das viele glauben? Oder sind die Entwicklungen im privaten Bereich nur eher so ein „Nice to have“ ohne grosse Relevanz?

Wir wissen es nicht. Noch nicht. Es sind bis jetzt alles nur Spekulationen, Vermutungen, Weissagungen. Schon seit vielen Jahren drehen Staubsaugerroboter ihre Runden und trotzdem müssen wir noch immer hinter ihnen herputzen. Schon lange sorgen WLAN-gesteuerte Licht- und Musiksysteme für Bequemlichkeit – aber hat sich unser Leben dadurch grundlegend geändert?

Was die Industrie 4.0 den Menschen persönlich genau bringt, steht noch in den Sternen. Vielleicht ist es wirklich der grosse Umbruch, vielleicht ist es auch nur ein steter, eher langsamer Wandel. Und wirklich eine echte Revolution? Wir werden es sehen.

Auf jeden Fall von dieser Herausforderung betroffen sind aber die Unternehmen, diese Entwicklung lässt sich nicht aufhalten. Ein Abseitsstehen oder zögerliches Abwarten kann für eine Firma höchst fatal sein, das darf auf keinen Fall unterschätzt werden. Denn die Mitbewerber verpassen den Anschluss nicht und stehen einem dann unter Umständen ganz plötzlich vor der Sonne. Und diese Mitbewerber sind nicht Unternehmen in der gleichen Stadt oder im gleichen Land: Sie können überall sein, auf der ganzen Welt.

Es gilt also, wachsam zu sein und die Entwicklung nicht zu verpassen: Denn Industrie 4.0 ist gekommen um zu bleiben.

Alain Zanolari

Alain Zanolari ist Redaktor, Texter und Content Manager mit Erfahrung als IT-Supporter. Seine Tätigkeiten bei der Business Software Plattform topsoft umfassen das Schreiben von Artikeln für Print und Online, Betreuung der Social Media-Kanäle sowie diverse Aufgaben im Sales.