Welche Potenziale liegen in der Blockchain-Technologie?

11.02.2019
6 Min.

Einkauf 4.0, EDI, B2B-Portale… Es existieren viele Möglichkeiten sich dem Thema Digitalisierung in vernetzten externen Wertschöpfungsketten zu nähern. Doch trotz vieler Vorteile haben diese Technologien noch entscheidende Nachteile: Die Datensilos existieren weiter. Eine Vernetzung zwischen verschiedenen Wertschöpfungspartnern findet nicht statt. Das könnte sich zukünftig mit der Blockchain-Technologie ändern.

Zusammenarbeit spielt in der Wertschöpfung der meisten Unternehmen eine wichtige Rolle und wird als Wettbewerbsfaktor auch zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen. Insbesondere durch globale Märkte und immer individuellere Produkte muss eine Zusammenarbeit effizient und vertrauensvoll auch mit heute noch unbekannten Partnern möglich sein.

Eine klassische, manuelle Kooperation und Steuerung der Zusammenarbeit ist hier längst nicht mehr ausreichend. In den letzten Jahren haben sich deshalb zunehmend Plattformen als Intermediäre etabliert, die eine digitale Zusammenarbeit zwischen Unternehmen ermöglichen und Dienste, wie das Matchmaking von Kapazität und Nachfrage über die Produktion und Logistik bis zur Zahlung anbieten. Dabei können auch benötigte Dokumente und Zertifikate übertragen werden. Diese werden zunächst zum entsprechenden Intermediär gesendet. Der Partner, an den das Dokument oder Zertifikat gerichtet ist, kann es sich dann von der Plattform herunterladen.

Intermediäre stellen in ihrer heutigen Form jedoch ein enormes Risiko für die geschäftliche Abwicklung dar. Erfolgreiche Intermediäre zeichnen sich durch ein breites Angebot an Diensten und angebundenen Partnern aus. Dadurch konzentriert sich in ihnen eine Marktmacht und Abhängigkeit, die direkte Auswirkungen auf Transaktionskosten, indirekte Risiken, wie dem Missbrauch der Transaktionsdaten oder die Zensur von Kooperationen haben kann. Problematisch sind also nicht die Intermediäre an sich, sondern ihr Zugriff auf (Transaktions-)Daten. Die Blockchain-Technologie setzt genau an diesem Punkt an. Die verteilte Datenhaltung in einer Blockchain ermöglicht eine direkte Vernetzung von verschiedenen Wertschöpfungspartnern über Unternehmensgrenzen hinweg. 

 

Die Blockchain – oder wie wird aus einem Block eine Kette

Blockchain ist nicht nur Bitcoin. Allgemein beinhaltet die Blockchain-Technologie eine verteilte Datenbank, die eine stetig wachsende Liste von Transaktionsdatensätzen enthält. Diese Datenbank wird immer wieder um eine bestimmte Menge an Transaktionen erweitert. Die Transaktionen oder Daten liegen dabei immer in einem Block. Werden die Blöcke miteinander verbunden, entsteht eine Kette. Somit entsteht der Begriff einer Blockkette bzw. im englischen Blockchain. Ist ein Block vollständig, wird der nächste erzeugt und an die bestehende Kette gehängt. Jeder Block ist dabei über eine Referenz (Hash) mit dem vorherigen Block verbunden (Abbildung).

 

 

Abbildung: Prinzip der Blockchain-Technologie

 

Da alle Transaktionen in der Blockchain unwiderruflich gespeichert sind, können diese jederzeit zurückverfolgt werden. Das Netzwerk zeichnet sich durch Manipulationssicherheit über die Unternehmensgrenzen hinweg aus. Es existieren in dem verteilten Netzwerk (Distributed Ledger) mehrere Duplikate der Blockchain. Diese Duplikate liegen auf jedem Netzwerkknoten. Die Lösung vermeidet Informationsverluste und reduziert die Bearbeitungszeit, welches die Folgen von den zwangsläufigen Medienbrüchen einer herkömmlichen Wertschöpfungsnetzwerk wären.

Inzwischen existieren verschiedene Möglichkeiten der Blockchain-Technologie. Diese werden allgemein in Public und Private Blockchains differenziert. Als Consortial-Blockchain wird das evan.network bezeichnet. Das evan.network verbindet die Vorteile der Public Blockchains (z.B. ein dezentrales Netzwerk ohne zentralen Mittler) mit den Vorteilen der Private Blockchains (z.B. insbesondere einer hohen Transaktionsrate zu geringen und stabilen Transaktionskosten). Innerhalb des evan.network werden Smart Contracts genutzt, um Daten und Informationen zwischen verschiedenen Partnern auszutauschen.

 

Qualitätssicherung auf Basis des evan.network

Mit der Initiierung eines unternehmensübergreifenden Digitalisierungsprojektes bei einem Maschinen- und Anlagenbauer aus der Medizintechnik wurde im Sommer 2018 der Startschuss für eine Qualitätssicherungsmassnahme gegeben, die verschiedene Partner in der gesamten Wertschöpfungskette miteinander verbindet. Die Absicherung qualitativ hochwertiger Prozesse sowie der Nachweis zu den verschiedenen Qualitätsstandards der Produkte entlang der Wertschöpfungsketten stand dabei im Vordergrund. Zusätzlich verfolgten die Initiatoren des Projektes folgende Ziele:

  • Eliminierung von (manuellen) Fehlerquellen durch unternehmensübergreifend vorhandene Medienbrüche in der Zertifikatserstellung und -übermittlung
  • Abbilden eines analogen Prozesses in einer digitalen Umgebung
  • Aufbrechen von Unternehmensgrenzen und somit Förderung der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Partnern entlang der Lieferkette

Mit den Erfahrungen der unternehmensübergreifenden Prozessdigitalisierung wird nun zukünftig ein gemeinsamer Standard innerhalb der vernetzten Wertschöpfungsketten geschaffen. Dabei arbeiten Lieferanten innerhalb der Katten mit Ihren Kunden eng zusammen. Für das Pilotprojekt sollten dazu die Möglichkeiten der Blockchain-Technologie in Verbindung mit der effizienten Abbildung verschiedener Qualitätsnachweise über Unternehmensgrenzen hinweg anhand einer konkreten Lieferkette von tier 5 bis zum Maschinen- und Anlagenbauer evaluiert werden. 

Die Zulieferer innerhalb vernetzten Wertschöpfungsketten des Maschinen- und Anlagenbauers legen relevante Dokumente und Informationen zur Qualitätssicherung von Zulieferteilen selbstständig in Smart Contracts innerhalb der Blockchain evan.network ab. Diese Dokumente werden auftragsbezogen (Bestellung) an den jeweils nächsten in der Kette weitergegeben. Zusätzlich können in jeder Stufe weitere Zertifikate in separaten Smart Contracts abgelegt werden. Auf vorhandene Unterzertifikate wird referenziert. Somit entsteht eine Baumstruktur aus referenzierten Verträgen über das gesamte n-tier Lieferantennetzwerk. Jedem Prozess-Beteiligten steht in Echtzeit immer der aktuelle Informationsstand der jeweiligen n+1-tier Lieferantenstufe zur Verfügung.

Durch den hohen Grad der Digitalisierung wird der manuelle Aufwand der Dokumentenweitergabe reduziert. Auf dieser Basis wird eine erhöhte Sichtbarkeit unternehmensübergreifender, relevanter Informationen, indem alle Beteiligten (je nach Rolle) eine Sicht auf die Daten haben, erreicht. Weitere Mehrwerte sind zusätzlich:

  • Schnelle und einfache Reaktion bei individuellen Kundenwünschen
  • Schnellere Reaktion bei Rückmeldung auf Anfragen ausgelöst von Tier-n +1-Lieferanten
  • Rückverfolgbarkeit der Produktqualität bis zum Tier-n-Lieferanten
  • Absicherung in der korrekten Dokumentation des Qualitätsgrades von Rohstoffen und Kaufteilen
    • Standardisierte Möglichkeit zur Datenfreigabe über die gesamte Lieferkette
    • Geringes Verwechslungsrisiko in allen Phasen der Lieferkette (z.B. falsche Zuordnung von Artikel und Zertifikat)
  • Zeit- und Ressourcenersparnis in der Bearbeitung der täglichen Aufgaben
    • weniger Handhabungsaufwand (kein manuelles Scannen, Archivieren, Teilen usw.)
    • Vermeidung von zeitraubenden Recherchen über mehrere Parteien hinweg

Durch diese qualitative Absicherung der Produktionsprozesse wird ein erheblicher Beitrag zur Absicherung qualitativ hochwertiger Produkte geleistet. Unabhängig von Digitalisierungsgrad ist es jedoch möglich, dass Unternehmen mit einer bestehenden IT-Infrastruktur sowie auch Unternehmen mit einer vielen manuellen Prozessen an diesem Netzwerk partizipieren können. Die Blockchain-Technologie auf Basis des evan.network bietet somit eine vernetzte Infrastruktur, um unternehmensübergreifend und direkt miteinander interagieren zu können.

 

Das Potenzial für den Ausbau ist hoch

Zukünftig können innerhalb der Smart Contracts weitere Prozesslogiken (Erhebung von Kennzahlen, automatische Trigger, um weitere Prozesse auszulösen etc.) abgebildet werden. Eine Integration der bestehenden (ERP-)Systeme ist über Schnittstellen ohne weiteres möglich. Somit wird ein höherer Automatisierungsgrad im Prozess erreicht.

Auch kann dieser Anwendungsfall genutzt werden, um im Bereich Social Responsibility weitere Nachweise (Umweltzertifikate, Ausschluss von Kinderarbeit etc.) entlang des n-tier Lieferantennetzwerkes unternehmensübergreifend und manipulationssicher zu dokumentieren. Durch dieses Vorgehen soll die Zusammenarbeit in vernetzten Wertschöpfungsketten gestärkt werden. Zusätzlich kann dieser Anwendungsfall auch auf weitere Wertschöpfungsketten ausgeweitet werden und ist somit adaptierbar.

 

Die Autorin:

Anja Wilde sucht immer nach neuen Lösungen im digitalen Umfeld, um Prozesse smarter und effizienter zu gestalten. Sie ist Dozentin an der Akademie des BMÖ und unterstützt Unernehmen bei Digitalisierungsprojekten auf Basis der Blockchain Technologie im evan.network. Erfahrungen sammelte sie in der Vergangenheit auch in den Bereichen Lieferanten- und Risikomanagement, Data Mining und KI.