Eines der wichtigsten Merkmale einer Business-Software ist die Benutzerfreundlichkeit. Eine gute User Experience sollte deshalb bei Software-Herstellern hoch oben auf der Agenda stehen. Damit sparen sie Zeit und Geld in der Entwicklung, Schulungsaufwand, und sie gewinnen treue Kunden.

Drei Klicks statt zehn, verständliche Formulare, genug Weissraum auf dem Bildschirm, intuitive Icons, Drag & Drop: Alles Dinge, die man heute von einer Applikation erwartet, die man auf dem heimischen Computer oder Smartphone verwendet. Software wie Dropbox, Evernote oder Mailchimp machen es vor.

Doch kaum hat man den PC im Büro hochgefahren, begegnen einem in vielen Unternehmensprogrammen mühsam zu bedienende, überfüllte graue Software-Fenster, die vor langer Zeit entwickelt wurden – und auch so aussehen.

Ansprüche der Nutzer steigen

Die User Experience (UX), also das Erlebnis, wie man mit einer Applikation arbeiten kann, und gutes Design spielten – und spielen – bei Business Software eine viel kleinere Rolle als bei anderen heutigen Computerprogrammen. Funktionalität und riesige Datenmengen scheinen einer einfachen, angenehmen Bedienung im Wege zu stehen. Doch die Nutzer von Business-Software sind Menschen, welche im Privat- oder Geschäftsumfeld auch andere, besser zu bedienende Applikationen kennen. Die grosse Verbreitung von mobilen Geräten mit ihren tausenden Apps hat auch dazu beigetragen, dass Nutzer höhere Ansprüche an eine einfache Bedienung haben.

Was heisst das nun für Hersteller von Software? Wenn sie ein neues Produkt entwickeln oder ein bestehendes modernisieren wollen, muss heute die User Experience als wichtiges Merkmal im Zentrum stehen.

Keine Zeit, kein Budget?

Wie oft schon habe ich gehört: «Für Usability haben wir keine Zeit/kein Budget/kein Knowhow.» Es gibt jedoch gute Gründe, wieso ein Software-Produzent in Usability-Massnahmen investieren soll. Bei User Experience geht es nicht nur darum, den Mitarbeitern die Arbeit zu erleichtern. Sie ist auch ein Mittel, um die Software robuster zu machen und notwendige
Features früh zu erkennen.

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Viele Anwender erwarten moderne Interfaces ihrer Software, welche auch auf mobilen Geräten funktionieren (Quelle: Pixabay).

Eine gute Usability basiert in erster Linie auf dem sogenannten User Centered Design, d.h. dass der (zukünftige) Nutzer der Software von Anfang an im Zentrum der Entwicklung stehen muss. Damit lässt sich Entwicklungsaufwand reduzieren, denn es ist wesentlich billiger, einen Fehler zu korrigieren, der bereits auf einem Papier-Prototypen auffällt, als wenn das Element bereits programmiert worden ist. Nutzer-Feedback, welches das Entwicklungsteam früh im Prozess einholt, kann viele Entwicklungsstunden einsparen. Dass mit einem Nutzer zentrierten Vorgehen auch Schulungs- und Support-Aufwand erheblich verringert werden können, versteht sich fast von
selbst. Kunden, welche die Applikation gerne benutzen, bleiben ihr auch eher treu und empfehlen sie weiter.

Entwickler einbeziehen

Doch wie können Usability-Belange stärker in den Entwicklungsprozess einbezogen werden? Erkannte Usability-Stolpersteine müssen während der Entwicklung als Mangel und nicht nur als mögliche Verbesserung angesehen werden. Probleme, die zum Beispiel während einer Testsession mit potentiellen Nutzern aufgetaucht sind, sollten in ein Bug-Tracking-System eingepflegt und priorisiert werden wie ein technischer Bug.

Es ist sehr sinnvoll, das ganze Team in den UX-Prozess einzubeziehen. Warum nicht die Entwickler beim nächsten Usability-Test zuschauen lassen? Nichts ist so eindrücklich und heilsam, wie echten Menschen zuzusehen, wie sie das eigene Produkt benutzen – oder zu benutzen versuchen.

Ein iteratives Vorgehen ist einer der Grundpfeiler des User Centered Design Prozesses. Deshalb sollte man das Softwareprodukt nicht erst kurz vor dem Release testen lassen, damit es der UX-Spezialist in letzter Minute «absegnet». Usability Reviews sind schon ganz am Anfang des Projekts möglich: anhand Papierskizzen, einfacher Wireframes oder anhand klickbarer Prototypen, die einfach abgeändert und nochmals getestet werden können.

Usability lohnt sich

Heute stellt oft der Produkt-Manager eine lange Liste von Features zusammen, welche vom Entwicklungsteam dann umgesetzt werden müssen. Wenn internes UX-Know-how fehlt, macht es Sinn, punktuell und projektbezogen die nötige Kompetenz von extern hinzu zu ziehen. Dass dies sich lohnt, bestätigt auch die Wissenschaft: Die Universität Mannheim hat in einer Studie untersucht, ob eine erhöhte Benutzerfreundlichkeit den Unternehmenserfolg von Software-Produzenten steigern kann. Der Erfolg wurde bei 160 mittelständischen Software-Herstellern anhand Umsatz und Kundenzufriedenheit untersucht.

Auch wenn bei dieser Studie deutsche Unternehmen untersucht wurden, lassen sich die Ergebnisse meiner Meinung nach auch auf Schweizer Verhältnisse übertragen: Es zeigte sich, dass Investitionen in die Usability von Software die Wettbewerbsfähigkeit steigern.

KBrunner_maevisKatharina Brunner ist Senior User ExperienceLogo_Maevis
Consultant und Inhaberin der Firma Maevis
Consulting. Das Zürcher Startup ist auf Dienstleistungen
im Bereich User Research, Usability Reviews und Beratung
spezialisiert.

Kontakt:
katharina.brunner@maevis.ch
www.maevis.ch