Big Data gehört derzeit zu den angesagten Buzzwords. Jenseits des Hypes zählt Big Data jedoch zu den wesentlichen Herausforderungen für die Organisation und Nutzung moderner IT-Systeme. Das Economist Intelligence Unit (EIU) hat in einer Studie festgestellt, dass Unternehmen mit einer klar definierten Big Data Strategie wirtschaftlich erfolgreicher sind. Vertrieb und Marketing sind geeignete Unternehmensbereiche, um eine solche Strategie umzusetzen.
Unter dem Begriff Big Data versteht man besonders grosse Datenmengen, die mit herkömmlichen Datenbanken und Tools nicht oder nur teilweise verarbeitet werden können. Aufgrund der immensen Datenmengen – wir sprechen hier von Terabytes, Petabytes, Exabytes und Zettabytes – ergeben sich Probleme v.a. in den Bereichen der Erfassung, der Speicherung, der Suche, der Analyse und der Visualisierung.
Durch die zunehmend maschinelle Erzeugung von Daten verzehnfacht sich die verfügbare Datenmenge alle fünf Jahre. Besonders in der Finanzbranche, der Telekommunikation (Verbindungsdaten), der Energiebranche oder im Gesundheitswesen werden tagtäglich Unmengen von Daten erzeugt. Herkömmliche Datenbanksysteme und Statistikprogramme sind mit solchen Mengen überfordert. Mit neuen Ansätzen kann man diese Datenberge jedoch verarbeiten und analysieren. Aus kommerzieller Sicht kann man sich damit Wettbewerbsvorteile erarbeiten, Einsparungspotentiale erkennen oder sogar neue Geschäftsfelder entdecken.
Eine klare Strategie bringt finanzielle Vorteile
So kommt denn auch die eingangs erwähnte Studie „Big Data: Lessons from the Leaders“ [1] zur Erkenntnis, dass die Hälfte der befragten Unternehmen, die angaben, ihre Gewinnvorgaben deutlich übertroffen zu haben, gleichzeitig auch über eine entsprechende Strategie verfügten. Bei den Unternehmen, die ihre Ziele lediglich erfüllt haben, liegt dieser Wert viermal niedriger. Die entsprechende Empfehlung der Studie: Unternehmen sollten sich mit hoher Priorität um die Entwicklung einer Datenstrategie kümmern und Mitarbeiter einstellen, die etwas vom Umgang mit Big Data verstehen.
Um den erfolgreiche Umgang mit riesigen Datenmengen, unterschiedlichen Datenformaten und Datenquellen zu realisieren, müssen die herkömmlichen Methoden und Vorgehensweisen (Datenorganisation, Datenarchitektur, Daten-Management, Datenanalyse und Datenpräsentation) mit neuen speziellen Tools und Konzepten verbunden werden, um wirtschaftlichen Nutzen aus den Daten zu ziehen bzw. eine hohe Datenqualität (etwa für Entscheidungsfindungen) zu gewährleisten. Die Daten eines Unternehmens sind immer nur so gut wie die Erkenntnisse, die sich daraus ableiten lassen. Unternehmensbereiche, die traditionell bereits mit grossen Datenmengen arbeiten, sind Sales und Marketing. Hier schlummern auch grosse Chancen in der gezielten Nutzbarmachung der gesammelten Information.
Analytisches CRM gezielt für mehr Erfolg nutzen
In den Datenbanken der meisten Unternehmen schlummern unzählige Daten über deren Kunden. Wenn wir uns vor Augen führen, was alleine die unzähligen Loyality-Programme an Daten generieren, dann wird schnell klar, dass wir es hier ebenfalls mit einem Big-Data-Problem zu tun haben. Hier kommt nun eine der Teildisziplinen des CRM zum Zuge, das analytische CRM. Dabei werden die zusammengeführten Kunden- und Transaktionsdaten – also jene Daten, die beim operativen CRM anfallen – ausgewertet (Data Mining, BI), um eine möglichst umfassende Sicht auf Kunden und Zielgruppen zu gewinnen. So können beispielsweise Abwanderungstendenzen und Betrugstatbestände, aber auch neue Zielgruppenmerkmale aus den Daten abgelesen werden.
Weitere Vorteile, die sich daraus ziehen lassen, sind die Optimierung der Neukundengewinnung durch die Segmentierung der bestehenden Interessenten, die Verringerung der Akquisitionskosten durch eine bessere Auswahl und Ansprache der Zielgruppen oder – im Rahmen der Optimierung der Bestandskunden – eine Ertragssteigerungen durch die Nutzung von Cross- oder Up-Selling-Möglichkeiten. Zudem kann die Anzahl der Abwanderungen durch die rechtzeitige Identifikation von Risikogruppen und die Einleitung entsprechender Gegenmassnahmen gering gehalten werden. Besonders interessant ist, dass dies durch geeignete Systeme sowohl im E-Commerce wie auch am physischen Point-of-Sale sogar in Echtzeit geschehen kann.
Social Media als Ausgangspunkt für eine Big-Data-Strategie
Eines der Ergebnisse der EIU-Studie zeigt deutlich, dass auch Unternehmen von einer Big-Data-Strategie profitieren können, die nicht über eine grosse Infrastruktur für analytisches CRM verfügen: Beim Social Media Monitoring fallen bereits grosse Datenmengen an, die oftmals nur sehr rudimentär ausgewertet werden. Ungefähr zwei Drittel aller befragten Unternehmen sammeln Web-Daten rund um ihre Kunden – allerdings nutzen nur 22 Prozent Social-Media- und Web-Daten für die Kundenansprache. Diese Zahl springt bei den wirtschaftlich besonders erfolgreichen Unternehmen auf 32 Prozent. Wenn man nun diese Daten noch mit jenen aus dem operativen CRM verknüpft und es überhaupt gelingt, die Datenhaltung in den sprichwörtlichen Silos zu überwinden, ergeben sich plötzlich ganz neue Möglichkeiten.
Bestehende Strukturen verhindern vor allem in KMU derzeit noch eine umfassende Nutzung der Daten: Während operatives CRM nach wie vor die Domäne des Vertriebs ist, fallen im Marketing und im Kundenservice eine Unmenge von Daten an, die zwar die Sicht auf den Kunden verbessern könnten, aber ihren Weg nicht in das System finden. Ganz zu schweigen von jenen Daten, die mittels Monitoring aus dem Social Web gewonnen werden könnten. Die Realität sieht eben noch so aus, dass die Abteilungen und meist auch deren Chefs sowie Mitarbeiter unabhängig voneinander ihre eigenen kleinen Lösungen betreiben.
Die Software-Anbieter hingegen haben erkannt, dass nur erfolgreich sein wird, wer Lösungen anbietet, die über alle Abteilungen und darüber hinaus eingesetzt werden können. Sie entwickeln und akquirieren entsprechende Komponenten ein, die weit über die bisherigen Kernfunktionen hinausgehen. Die kürzlich erfolgte Übernahme des Schweizer Social-Media-Monitoring-Spezialisten Netbreeze durch Microsoft ist ein gutes Beispiel für diese Strategie.
CRM als Dreh- und Angelpunkt
CRM, als Strategie verstanden, hilft, die organisatorischen Widerstände zu überwinden. Da aber eine Weiterentwicklung bestehender Systeme und Konzepte den komplexen Veränderungen nicht gerecht wird, empfehle ich meinen Kunden vor einer technischen Umsetzung zunächst einmal eine klare Strategie zu formulieren, Richtlinien und Prozesse zu erarbeiten, die bei den Mitarbeitern entsprechend etabliert werden. Erfolg hat nur, wer auf ein integriertes System aus Vertrieb, Marketing, Service, Social Media und IT setzt. Nicht ohne Grund werden die Marketingbudgets in den nächsten Jahren jene der IT überflügeln (Gartner [2]), da die Marketingverantwortliche auf die Hilfe Dritter oder Externer angewiesen sind, um das Wachstum der Datenbestände bewältigen können (IBM Global Chief Marketing Officer Study 2011 [3]).
Quellen:
[1] www.sas.com
[2] www.forbes.com
[3] www-935.ibm.com
Autor:
Michael Gisiger ist Blogger, Berater und Trainer für Enterprise 2.0, Social Media und Online-Marketing. Seit 2006 publiziert er regelmässig Fachbeiträge in Online- und Printmedien, berät kleine und grosse Unternehmen und tritt als Redner und Dozent auf. Zu seinen Schwerpunkten gehören u.a. Collaboration und Social CRM, aber auch Social Media und Social Business allgemein. Auf wortgefecht.net bloggt er zu diesen Themen. Nach dem Studium in St. Gallen und Bern war er u.a. in der Versicherungs- und in der IT-Branche als Marketer tätig. Twitter: https://twitter.com/wortgefecht