Kennen Sie das? Sie haben eine Idee und denken: das könnte hinhauen, das könnte funktionieren, nein, das funktioniert! Vor allem in der Welt der Start-ups muss man häufig schnell beurteilen, sich schnell eine Meinung bilden. Und darauf basierend sogar relevante Entscheidungen treffen. Bevor ich mein Start-up lancierte, befragte ich meinen ganzen Freundeskreis: würdest du Alltagsgegenstände mit anderen Leuten teilen? Denkst du manchmal, es wäre praktisch, etwas nur für kurze Zeit mieten zu können? Sharely, die lokale Miet- und Vermietplattform für Alltagsgegenstände, ist nun seit Anfang Jahr live. Und trotz intensiver Recherche im Vorfeld stossen wir immer wieder auf überraschende Erkenntnisse.
Wir gingen lange davon aus, dass die Vermieter auf unserer Plattform vor allem des Geldes wegen ihre Objekte vermieten. Entsprechend haben wir auch die Werbung gestaltet: “Keller voll, Portemonnaie leer?”. So stand es in unserer Facebook-Werbung. Nun wollten wir aber unsere Nutzer besser kennenlernen, insbesondere die Vermieter. Wir lancierten eine kurze Umfrage – und siehe da: nur 18% gaben an, aus monetären Überlegungen zu vermieten. Viel wichtiger waren Nachhaltigkeit und das Gefühl, dass die Dinge nur herum stehen. So änderten wir die Facebook-Werbung: jetzt stand der ökologische Gedanke sowie mehr Emotionalisierung im Vordergrund. Der Erfolg liess nicht lange auf sich warten. Pro Franken erzielten wir 3x mehr Klicks. Ein klarer Erfolg, der auf den “lean innovation”-Ansatz zurückzuführen ist.
Bei diesem Vorgehen handelt es sich um einen systematischen Prozess, um ein funktionierendes Business-Modell zu finden (oder auch zu verbessern). Grundsätzlich geht man immer von Hypothesen aus und versucht sie zu falsifizieren bzw. zu verifizieren. In unserem Fall war das: Die Vermieter vermieten, weil sie mit ihren Objekten Geld verdienen möchten. Das war falsch. Nicht nur Start-ups, sondern auch etablierte Firmen müssen schnell die (sich ändernden) Kundenbedürfnisse erfassen können.
Im Grund genommen ist es ein Perspektivenwechsel. Man nimmt sich komplett zurück und versetzt sich in die Rolle des Beobachters, man schaut von aussen auf die Organisation und auf das, was Aussenstehende dazu sagen. Jeder kann sich laufend fragen: was ist momentan unser grösstes Risiko in unserem Geschäftsmodell? Dann geht’s ans Abtesten. Bei Sharely ist eine Vielfalt an Objekten zentral, deshalb fragten wir uns, ob wir die (potentiellen) Vermieter überhaupt richtig ansprechen. Denn diese laden letztlich die Objekte hoch.
Dabei können dieses “Experimente” auch sehr günstig sein. Es reicht Prototypen, Mircrosites, Mock-ups, Scribbles oder Designs usw. zu haben. Wichtigstes Motto ist und bleibt aber: “Get out of the building!”. Nur vor der Firmentüre sieht man die echten Kundenbedürfnisse. So kann man in Zyklen immer wieder neue Themen abtesten, basierend auf dem Ansatz: “Build – Measure – Learn”. Damit kann man nicht nur ganze Business-Modelle begründen, sondern auch kleine Teilaspekte, z.B. die Positionierung, das Pricing oder die Kundenansprache. Das kann man gut auch abseits dem normalen operativen Auftritt der Firma erledigen, um die grösstmögliche Freiheit zu haben.
Trifft man mit dem Test das Kundenbedürfnis nicht, hat man nicht versagt, sondern viel gelernt und die Chance, schnell und günstig in eine neue Richtung zu gehen. Diese “pivots” sind völlig normal und sogar erwünscht. Erst wer die passende Lösung zum Problem und das passende Produkt für den Markt hat, sollte skalieren. Wartet man diesen Zeitpunkt ab, spart man viel Geld!
In einem weiteren Experiment haben wir am Bahnhof Zürich 10 Personen befragt, welche Sharely.ch noch nicht kannten. Dieses Feedback ist besonders wichtig, weil man häufig lediglich Input von Leuten bekommt, welche die erste Hürde schon genommen haben (also Kunden sind). Uns interessierte jedoch der “erste Eindruck” von Sharely und die Gründe, wieso man es nutzen würde bzw. nicht und was die ersten Fragen sind, welche durch den Kopf gehen. In diesen Gesprächen bekamen wir komplett neues Feedback. Die Info, wo Kosten entstehen und wie die Objekte bei uns versichert sind, waren die brennendsten Fragen. Das muss auf die Landingpage, ansonsten entsteht schon in den ersten 15 Sekunden eine Unsicherheit – und Sharely wird evtl. nicht benutzt. Wir sind nun daran, das Feedback umzusetzen. Auch hier wieder: schnell gelernt, schnell umgesetzt, viel erreicht.
Dieser Ansatz ist nicht neu, aber man muss sich immer wieder dazu zwingen, seine eigene Meinung in Frage zu stellen. Aber das Resultat ist dafür schön: es gibt fast nichts Mächtigeres als zu wissen, dass man genau das macht, was die Kunden wollen! Probieren Sie es aus!
Autor:
Andreas Amstutz, Gründer sharely.ch