Arbeitszeiterfassung aus juristischer Sicht

01.04.2021
3 Min.
Eine korrekte Arbeitszeiterfassung ist heute aktueller denn je. Gerade in Zeiten mit Homeoffice und dezentralem Arbeiten ist es wichtig, die Stunden detailliert zu erfassen und abzurechnen. Selbst wenn die gesetzliche Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit in erster Linie dem Schutz der Arbeitnehmenden dient, haben auch Arbeitgebende ein vitales Interesse an einer sauberen Erfassung der geleisteten Stunden: Sie tragen dafür vor dem Gesetz die Verantwortung. Doch was steht im Arbeitsrecht genau?
 
(Bild: succo / pixabay.com)
 
In der Schweiz gilt die generelle Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit. Insbesondere für Arbeitnehmende kann die genaue Erfassung der Arbeitszeit von Vorteil sein, wollen sie etwa Überstunden kompensieren oder entschädigt haben. Die Realität sieht in der Schweiz jedoch anders aus: In vielen Betrieben wird die Arbeitszeit nicht oder nur unvollständig erfasst. 
 

Verantwortung liebt bei den Arbeitgebern

Verantwortlich für die Erfassung der Arbeitszeit ist der Arbeitgeber. Er kann zwar im Rahmen der Ausgestaltung des Arbeitsvertrages oder der Ausübung seines Weisungsrechts die Erfassung and die Arbeitnehmer delegieren, er muss aber ein dafür geeignetes Instrument zur Verfügung stellen und Kontrollen vornehmen. Im Resultat bleibt er verantwortlich. 
 
Grundsätzlich gilt die Regelung, dass die Dauer und die Lage der geleisteten Arbeitszeit, die Pausen von einer halben Stunde und mehr sowie die Ruhetage lückenlos erfasst werden müssen. Die Form ist im Gesetz nicht geregelt. So kann dies etwa per Hand, via Excel-Liste oder elektronisch geschehen. Möglich ist aber, dass fixe Arbeitszeiten vereinbart sind und lediglich die Abweichungen festgehalten werden (Normarbeitsplan).
 
 

Ausnahmen der Erfassungspflicht

Auf höhere leitende Angestellte ist das Arbeitsgesetz nicht anwendbar. Somit entfällt in Bezug auf diese die Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit.
 
Gemäss Art. 9 ArgV1 gilt, dass eine höhere leitende Tätigkeit ausübt «wer auf Grund seiner Stellung und Verantwortung sowie in Abhängigkeit von der Grösse des Betriebes über weitreichende Entscheidungsbefugnisse verfügt oder Entscheide von grosser Tragweite massgeblich beeinflussen und dadurch auf die Struktur, den Geschäftsgang und die Entwicklung eines Betriebes oder Betriebsteils einen nachhaltigen Einfluss nehmen kann.»
 
 

Verzicht auf Erfassung 

Gemäss Art. 73a ArGV1 kann unter gewissen Voraussetzungen vollkommen auf die Arbeitszeiterfassung verzichtet werden. 
 
Dies setzt voraus, dass die betroffenen Arbeitnehmer über ein Bruttojahreseinkommen von mindestens CHF 120‘000 verfügen und bei ihrer Arbeit über eine grosse Gestaltungsautonomie verfügen, d. h. die entsprechenden Arbeitnehmer bestimmen, in welcher Art und Weise die Arbeiten ausgeführt und organisiert werden. Zusätzlich müssen diese Arbeitnehmer die Freiheit geniessen, ihre Arbeits- und somit auch ihre Ruhezeiten mehrheitlich selbst festsetzen zu können. Diese erforderliche Zeitautonomie muss für mindestens die Hälfte der Arbeitszeit bestehen.
 
In formeller Hinsicht muss die Möglichkeit des Verzichts auf die Arbeitszeiterfassung in einem Gesamtarbeitsvertrag vorgesehen sein und jeder betroffene Arbeitnehmer muss dem Verzicht persönlich zustimmen. 
 
 

Vereinfachte Erfassung

Arbeitnehmer mit einer gewissen Autonomie (was gemäss SECO ab rund 25 % der Arbeitszeit gegeben ist) in der Festsetzung ihrer Arbeitszeit, haben die Möglichkeit nur noch die täglich geleistete Arbeitszeit erfassen. Die Lage respektive der Zeitpunkt der Arbeits- und Ruhezeiten ist nicht mehr dokumentationspflichtig. Bei Leistung von Nacht- oder Sonntagsarbeit sind jedoch der Anfang und das Ende dieser Arbeitseinsätze festzuhalten. 
 
Die Einführung der vereinfachten Arbeitszeiterfassung erfolgt in der Regel durch eine kollektive Vereinbarung zwischen der gewählten betriebsinternen Arbeitnehmervertretung (Personalkommission) und dem Arbeitgeber. In Betrieben mit weniger als 50 Arbeitnehmern kann die vereinfachte Arbeitszeiterfassung auch individuell mit den einzelnen Arbeitnehmern vereinbart werden.
 
 

Der Autor

 
Lic. iur. Nicolas Facincani, Rechtsanwalt, LL.M. Rechtsanwalt und Partner bei Voillat Facincani Sutter + Partner und unter anderem Spezialist für Arbeitsrecht. Er publiziert regelmässig in seinen Rechtsgebieten. Dabei hat unter anderem auch ein Standardlehrmittel im Arbeitsrecht für Personalfachleute verfasst, welches bereits in der 2. Auflage erschienen ist. www.vfs.partner.ch
 
 
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