International tätige Unternehmen sollten sich bereits bei der Evaluation von Business Software intensiv mit den Anforderungen im Ausland auseinandersetzen. Ähnlich wie sich der kulturelle Hintergrund in Asien, Osteuropa oder Südamerika von der Schweiz unterscheidet, können gesetzliche, technische und funktionale Unterschiede gravierende Auswirkungen auf IT-Anwendungen haben.

Gallonen, Inches, Renimbi, Rubel, Währungen mit und ohne Rundung, verschiedene Formate für Adressen und Zahlen – trotz Globalisierung gilt es viele lokale Eigenheiten. Diese können für ein ERP-System schon mal zur Knacknuss werden, denn nicht jede Lösung ist für international tätige Kunden ausgelegt. Wer eine neue Unternehmenssoftware sucht, sollte dies deshalb von Beginn an berücksichtigen.

Eine Faustregel sagt, dass die Komplexität internationaler Anforderungen zunimmt, je näher man den Finanzen kommt. Die Praxis zeigt, dass internationale Unternehmen im Ausland häufig lokale Buchhaltungs- und Lohnsysteme einsetzen und diese mittels Schnittstellen an das zentrale ERP-System anbinden. Finanzlösungen werden nicht selten durch Treuhänder vor Ort geführt, welche sich bezüglich Gesetzen, Steuern, Statistiken, Nachweispflichten usw. mit den entsprechenden Gegebenheiten auskennen. Gerade im internationalen Geschäft sind IT-Governance und IT-Compliance äusserst wichtig und bilden einen wesentlichen Punkt im IT-Pflichtenheft multinational aufgestellter Unternehmen.

Harmonisierung von Daten und Prozessen

Sind in den Niederlassungen bereits IT-Systeme im Einsatz, muss geklärt werden, ob und wie diese integriert werden sollen: Umfang und Zeitraum der zu übernehmenden Daten, Datenbereinigung, Prüfung von Dubletten und inhaltliche Konsistenz, Codierungen vereinheitlichen usw. Erst wenn die Grundlage stimmt, kann eine Datenmigration sinnvoll durchgeführt werden. Ähnlich sieht es bei den Geschäftsprozessen aus. Auch hier muss zuerst eine gemeinsame, saubere Basis erarbeitet werden. Unternehmensorganisation und die Einführung von Business Software sind eng verknüpft. Waren- und Werteflüsse, aber auch Abgrenzungen sowie Daten- und Dokumentenaustausch müssen transparent im System abgebildet werden können, Intercompany-Prozesse sind daher ein wichtiges Thema bei der Softwareeinführung.

Die Implementierung einer Unternehmenslösung und die anschliessende Systembetreuung können aufgrund der geografischen Distanzen zur Herausforderung werden. Einen Ausweg bieten die Unterstützung durch lokale IT-Partner oder Lösungen aus der Cloud bzw. über VPN-Zugang. Nicht zu vernachlässigen sind die Bereitstellung eines firmeninternen Helpdesk als Anlaufstelle für alle, d.h. auch fremdsprachige Benutzer und einen regelmässigen Erfahrungsaustausch zum Beispiel mittels User-Gruppe.

Systeme und Menschen müssen passen

Die Einführung eines ERP-Systems bei internationalen Unternehmen ist zwar eine Herausforderung, aber kein Ding der Unmöglichkeit. Um eine passende Lösung zu finden, muss man sich über Anforderungen und Ziele sowie Prozesse und Organisationsstrukturen im Klaren sein. Ein kompetenter, erfahrener Berater kann wesentlich dazu beitragen, das Unternehmen mittels prozessorientiertem Auswahlverfahren zur passenden Lösung zu führen. Bevor der Entscheid gefällt wird, lohnt es sich aber immer, dass sich Anbieter und Anwender von Mensch zu Mensch kennen lernen. Verständnis und Verständigung zwischen allen Beteiligten sind gerade bei internationalen Projekten entscheidend.

Christian Bühlmann

Christian Bühlmann ist Chefredaktor des topsoft Fachmagazin für Business Software.