Vor einiger Zeit habe ich in einer Kolumne die Meinung vertreten, dass die IT der Öffentlichen Verwaltung aus dem Dornröschenschlaf erwachen soll(t)e. Im Wesentlichen wurde dabei diskutiert, was für Massnahmen auf politischer und auf Verwaltungsleitungs-Ebene zu einer besseren Verankerung der IT in der Öffentlichen Verwaltung beitragen können. Im Kern ging es um die IT-Debakel auf Bundes- und Kantonsebene, die damals als mediale Themen gerade hochkochten, und denen damit zu begegnen gewesen wäre.

Am Rande oder doch viel mehr im Kern ging es dabei natürlich um das Stichwort Führung (Governance). In der Privatwirtschaft gibt es eine Rolle, welche sinnbildlich für diese Führung steht: Der Chief Information Officer oder kurz CIO. Darüber, wie weit dessen Befugnisse gehen oder wofür er genau stehen soll, herrscht aus heutiger Sicht keine Einigkeit. Ob und wieso auch in der Öffentlichen Verwaltung auf C-Level eine Führungsperson installiert wird, hängt insgesamt wohl von der komplexen Maturität von Verwaltungen im Bereich IT zusammen. Über die IT-Leitung in Abhängigkeit von deren Organisations-Maturität gibt es viele verschiedene Ansichten und organisatorische Implementierungsvorstellungen.

Wunschbild anhand von Thesen

Im Folgenden soll es um den CIO der Zukunft in der Öffentlichen Verwaltung gehen. Es sei nicht verschwiegen, dass es dazu durchaus ein reales Vorbild gibt, ohne diesen hier namentlich zu nennen. Jener CIO soll ungestört seine Arbeit weiter tun können und Mittel und Wege finden, dass seine Geschäftsleitung ohne mediales Aufheben zu dieser neuen Rolle steht und diese fördert, auch wenn diese Funktion aus Verwaltungssicht noch nicht wunschgemäss ausgeprägt und „installiert“ ist. Wohl wissend, dass es ohne CIO nicht mehr geht und dass dessen Rolle künftig noch immer wichtiger werden wird … Hier nun also der Versuch einer Charakterisierung des CIO der Zukunft in der öffentlichen Verwaltung – und zwar in Form von 15 Thesen.

 Der CIO der Zukunft in der öffentlichen Verwaltung…

  1. hat ein umfassendes und integriertes Verständnis zur Themenstellung Informationsmanagement.
  2. ist vom Bewusstsein geprägt, dass Informationsmanagement eine Führungsaufgabe ist, diese aber in allergrösster Demut vor den Anforderungen des Geschäfts und der Befriedigung der Geschäftsbedürfnisse gelebt werden soll. Der CIO selbst fühlt sich nicht als Hero oder Big Boss oder ähnlich und führt sich auch nicht entsprechend auf.
  3. vermittelt die Botschafte, dass die Verwaltung zunehmend von Informationssystemen durchdrungen und entsprechend davon abhängig ist.
  4. verabschiedet sich vom IMAC-Bild des IT-Mitarbeiters (install, move, add, change) und setzt ausgehend davon auf die konsequente Weiterbildung der Mitarbeiter in Richtung IT-Service-Orchestratoren, -Supplier-Manager und -Koordinatoren und entsprechende Job-Profile.
  5. trennt sich systematisch und sozialverträglich von den Mitarbeitenden, welche diese Veränderung nicht mitmachen wollen oder können.
  6. setzt ausgehend davon auf eine konsequent umgesetzte Sourcing-Strategie und hält das Kundenbeziehungsmanagement auf allen Ebenen hoch. Er agiert wie seine ganze Organisation proaktiv gegenüber den Kunden und Nutzern.
  7. basiert seine IT-Strategie auf einem differenzierten und intensiven Diskurs mit der Geschäftsleitung der öffentlichen Verwaltung, oder zumindest eines Departements- oder Direktionschefs; er vermag es ausgehend von diesem Diskurs proaktiv die richtigen Entscheide zu treffen, wie Geschäftsleitung und Geschäft bestmöglich durch die IT unterstützt werden können.
  8. nimmt gelegentlich an den Treffen der Exekutivmitglieder teil – unter Umständen als Mitglied einer erweiterten Geschäftsleitung.
  9. glaubt nicht, dass IT Selbstzweck ist und dass diese aufgrund einer möglichen Unkenntnis der Verwaltungsführung ein Eigenleben pflegen darf (dies betrifft auch Entscheide z.B. bezüglich Standardsoftware), sondern setzt sich aktiv für das Nötigste und bezüglich einer künftigen Entwicklung aktiv für die „offenste Lösung“ und nicht den „Rolls Royce“ ein. Hier kann man auch sagen, dass der CIO der Versuchung widersteht, laufend Maximalvarianten von Anwendungen einzuführen, statt kontinuierlich organisatorisch-technische Weiterentwicklung zu betreiben und IT-Lösungen in Abhängigkeit von der Reife der Geschäfts-IT-Beziehung und von der IT-Maturität der Öffentlichen Verwaltung einzuführen, auch in der Nutzung von IT.
  10. prüft die ganze Palette von IT-Services der öffentlichen Verwaltung laufend und strukturiert auf strategische Bedeutung, Spezifität und Fähigkeiten der Mitarbeiter inhouse bezüglich der Fachanwendungen, die er hat, um dadurch rational begründet Sourcing-Entscheide ableiten zu können. Ausgehend von Carr wird alle Commodity an IT-Services ausgelagert.
  11. hat ein ausgeprägtes Gespür dafür, was für IT-Lösungen machbar sind gegenüber dem Wünschbaren aus Sicht der technikaffinen (und vielleicht sogar -verliebten) Mitarbeitenden.
  12. bekämpft mit mehr oder weniger Fortüne die in der Öffentlichen Verwaltung vorherrschende trianguläre Beziehung von meist in einer separaten Organisationseinheit verankerten geschäftsseitigen IT-Steuerungen oder -Koordinationseinheiten, Geschäftsleitungen sowie IT-Serviceproviding (intern und extern) zugunsten einer klar bipolaren Beziehung Geschäft und IT. Grund: Diese trianguläre Beziehung verunmöglicht eine effiziente und effektive IT-Führung und verunmöglicht im Weiteren auch ein effizientes und effektives Sourcing von IT. Überdies erschwert diese trianguläre Beziehung das Alignment von Geschäft und IT und sorgt am Laufmeter dafür, wovon die Öffentliche Verwaltung die Finger lassen sollte, der Institutionalisierung der Nicht-Verantwortlichkeit für die IT in der Öffentlichen Verwaltung.
  13. ist kein Primadonna-Typ, sondern ein vollständiger Enabler-Typ aus Sicht des Geschäfts – mit der bereits erwähnten zwingend erforderlichen Demut gegenüber dem Geschäft.
  14. widerspricht vehement und kontinuierlich der zunehmend überbordenden Meinung, dass IT in den Geschäftseinheiten der Öffentlichen Verwaltung dezentral geführt werden soll und nicht zentral; dies mit der Schwerpunktidee, dass eine Standardisierung im Sinne von mehr Effizienz und Effektivität der IT möglich ist und wird. Dies bedeutet auch: Der CIO der Zukunft in der öffentlichen Verwaltung eliminiert zunehmend dezentrale Beschaffungen von IT-Services (im Rahmen der genannten wünschbaren bipolaren Beziehung) zugunsten eines zentralen Sourcings mit Effizienz- und Effektivitätsvorteilen.
  15. bekämpft mit Verve Schatten-IT’s aller Art.

Fragen Sie sich einmal, wie weit Sie von diesem Ideal entfernt sind. Ich wünsche auf diesem Wege allen Verwaltungsleitungen viel Kraft und Mut, sich in diese Richtung zu bewegen und entsprechende Persönlichkeiten als IT-Leiter oder besser CIO’s zu installieren. Es wird nur zu Ihrem Vorteil sein, im Vergleich zu den unbefriedigenden bestehenden Lösungen …

Konrad Walser

Prof. Dr. Konrad Walser ist Dozent und Senior Researcher am E-Government-Institut der Berner Fachhochschule | www.e-government.bfh.ch. Er ist Co-Organisator und Programmleiter der Gov@CH  – der neuen Messe und Konferenz für Digitale Verwaltung.