Servicedienstleistungen mit Ersatzteilen bieten nicht nur ein interessantes Geschäftsfeld, sondern auch einen vertieften Kundenkontakt. Besonders erspriesslich wird der Kundenkontakt allerdings nur, wenn die Dienstleistung den Kundenwünschen entspricht. Dies wiederum ist in hohem Masse davon abhängig, ob der Servicetechniker bei seinem Einsatz die nötigen Ersatzteile dabei hat. Die Ersatzteilbewirtschaftung ist nicht einfach, aber man kann sie methodisch und mit geschicktem IT-Einsatz unterstützen.

Der Tertiärsektor nimmt in der Schweiz volkswirtschaftlich schon lange an Bedeutung zu. Viele Unternehmen, welche aus dem Produktionsbereich stammen, erweitern in den tertiären Sektor, in dem sie Dienstleistungen zusammen mit ihren Produkten anbieten. Diese Kombination bietet tatsächlich vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten, wie im Artikel «Viel Potential für hybride Servicedienstleister» im topsoft Magazin 15-1 nachzulesen ist. Unternehmen erkennen im Service-Geschäft Potential für Wachstum und eine effektive Möglichkeit die Kundenbindung zu stärken. Um aber bei einer solchen Wachstumsstrategie die internen finanziellen und personellen Ressourcen im Griff zu behalten, ist eine gute IT-Unterstützung unumgänglich.

Oberflächlich betrachtet braucht eine solche Unternehmung die bekannten Software-Module wie Finanzen, Warenwirtschaft, Lager, CRM und nicht zuletzt natürlich für Service. Aber auch ein Service-Modul deckt nicht unbedingt alles ab, was gebraucht wird. Ein kniffliger Punkt kann die im Folgenden diskutierte Ersatzteilbeschaffung und -lagerung darstellen. Um ein solch problematisches Thema in einen Konkurrenzvorteil umzuwandeln, braucht es die zielgerichtete IT-Unterstützung welche die verschiedensten Informationen vernetzt, ein  durchdachtes  (IT-)Konzept und klug gestaltete Unternehmensprozesse.

Die Anforderungen an die Ersatzteilbeschaffung und -lagerung sind im Grunde genommen ganz einfach: Die Servicetechniker im Feld benötigen Ersatzteile. In einer perfekten Welt hat der Techniker bei einem Reparatureinsatz das passende Ersatzteil immer dabei und kann dadurch das Problem des Kunden innert kürzester Zeit beheben. Einfach zu lösen ist dies aber nur, wenn der Techniker alle denkbaren Ersatzteile mitführen kann. Sofern nur eine kleine Produktpalette zu unterhalten ist und die Geräte hinreichend kleine Dimensionen aufweisen, kann die Strategie «alles» mitzunehmen physisch möglich sein. Dagegen sprechen dann allenfalls noch betriebswirtschaftliche Kriterien, denn die kleinen Ersatzteile sind oft nicht unbedingt auch die billigsten.

In der realen Welt muss man sich auf ein reduziertes Ersatzteilsortiment beschränken. Das Ziel ist sicherzustellen, dass die benötigten Ersatzteile in der richtigen Anzahl, am richtigen Ort und zur richtigen Zeit zur Verfügung stehen. Dieses Ziel kann mit einer guten Planung so weit erreicht werden, dass die meisten Service-Einsätze innert einer vorgegeben Frist erfolgreich sein können.

Planung mittels Angebot und Nachfrage

Wie kann ein IT-System diese Planung sinnvoll unterstützen? Dazu muss zuerst geklärt werden was hier mit Planung gemeint ist. Als Denkmodell dient dazu die Planungsdefinition aus dem SCOR®-Modell in dem postuliert wird, dass Planung Aktivitäten sind, welche Angebot und Nachfrage zur Übereinstimmung bringen. Ein Produkt wird von gewissen Akteuren nachgefragt und gleichzeitig von anderen angeboten. In den allerwenigsten Fällen halten sich Nachfrage und Angebot die Waage, was in einer Differenz resultiert. Durch die Planung von Massnahmen soll diese Differenz sowohl für die Gegenwart als auch für jeden Zeitpunkt in Zukunft eliminiert werden. Zugegeben, diese Betrachtungsweise ist an Banalität kaum zu übertreffen und trotzdem ist das Verständnis dieser Sichtweise von grundlegender Bedeutung. Bei der Lagerhaltung für Serviceeinsätze ist die Seite des Angebots relativ einfach zu identifizieren: Das sind die sofort greifbaren Ersatzteile in den eigenen Lagern und dem kurzfristig lieferbaren Angebot der Lieferanten. Die Nachfrage nach den benötigten Teilen zu ermitteln ist naturgemäss sehr viel schwieriger. Oft kann man als Anhaltspunkt auf historische Verbrauchsdaten zurückgreifen, wird aber trotzdem nie in der Lage sein die Zukunft verlässlich vorauszusagen. Auch der Service-Dienstleister wird nie perfekt die Zukunft voraussagen können, aber durch einen cleveren IT-Einsatz sollte er in die Lage versetzt werden, die Nachfrage besser abschätzen zu können.

SCOR

Gemäss SCOR®-Modell wird postuliert, dass Planung Aktivitäten gleichzusetzen ist, welche Angebot und Nachfrage zur Übereinstimmung bringen.

Fokussiert man auf ein spezifisches Bauteil, so erkennt man, dass dieses mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nach einer gewissen Zeit defekt wird. Der Servicetechniker wird in diesem Fall vom Kunden aufgeboten, um das fehlerhafte Bauteil in der Maschine zu identifizieren und in der vertraglich vereinbarten Zeit auszutauschen. In diesem Vorgang kann man nun verschiedene Faktoren identifizieren: Es existiert

  • an einem geografischen Ort
  • ein Kunde
  • mit einer Maschine
  • welcher mit dem Service-Dienstleister einen Vertrag hat.

Diese vier Faktoren ergeben, gepaart mit der Ausfallwahrscheinlichkeit des Bauteils, die Nachfrageprognose nach den Ersatzteilen. Die Maschine wird oft als installierte Basis des Kunden bezeichnet, beim Vertrag spricht man von SLA, dem Service Level Agreement.

Installierte Basis

Der Service-Dienstleister muss wissen, welche Geräte bei den Kunden unter Vertrag stehen. Jedes Gerät und jedes System muss in der Business-Software logisch korrekt mit seinen Komponenten hinterlegt sein. Dazu kann die Struktur der installierten Geräte in der Art einer Stückliste in der Software abgebildet werden. Die Logik muss eine Art von «Verwendungsnachweis» einzelner Komponenten oder Baugruppen über die gesamte installierte Basis zulassen. Der Standort der installierten Basis muss ebenfalls genau definiert sein.

Service Level und Vertrag

Der Service-Dienstleister definiert gegenüber seinen Kunden vertraglich mit den SLA die zu erbringenden Leistungen. Es muss eine Verbindung zwischen einem Gerät und einem Satz an definierten Leistungen in der Business-Software erstellt werden. Diese Service Levels müssen ebenfalls logisch im System abgebildet werden.

Ausfallwahrscheinlichkeit

Technische Komponenten haben in der Regel eine begrenzte Lebensdauer; sie fallen irgendwann mal aus. Je nach Businessfeld, respektive Servicetätigkeit ist dieser Faktor besser oder schlechter bestimmbar oder vorhersehbar. Bei technischen Komponenten die in grossen Stückzahlen eingesetzt werden, können statistische Vorhersagen gemacht werden, welche durchaus einen Beitrag zur Nachfragebestimmung leisten können.

Orchestrierung der Informationen

Sind die Daten logisch korrekt in einer Business-Software hinterlegt, kann ein Blick in die Zukunft gewagt werden. Die Nachfrage kann zeitlich, geographisch und mengenmässig von allen Seiten betrachtet und mit dem Angebot verglichen werden. Dabei ist für die Nachfrage entscheidend, dass sie nun nicht mehr kundenbezogen sondern baugruppenbezogen über die gesamte installierte Basis kumuliert werden kann. Dem möglicherweise gefundenen Ungleichgewicht zwischen Nachfrage und Angebot kann nun mit konkreten Massnahem begegnet werden. In der täglichen Arbeit wird dies primär die Beschaffung von Ersatzteilen beeinflussen. Es lassen sich damit aber auch zum Beispiel Auswirkungen von Vertragsanpassungen oder der Einfluss eines grösseren Kunden besser abschätzen.

Generell zielt aber das hier vorgestellte Konzept nicht auf eine komplett automatisierte Beschaffung ab. Vielmehr sollten die Mitarbeitenden befähigt werden, kritische Faktoren und deren Einflüsse zu erkennen und in die Planung einzubeziehen. Die Business-Software sollte es ermöglichen, die bestehende Datenbasis aus verschiedenen Sichtwinkeln zu betrachten, die Abhängigkeiten zu verstehen und die daraus nötigen Konsequenzen zu ziehen. Es muss darauf hingewiesen werden, dass Mitarbeitende diesen Daten und den darauf basierenden Vorhersagen nur dann trauen werden, wenn sie die Logik und Methodik dahinter verstehen.

Schlussendlich wird es ein strategischer Entscheid sein, ob man tendenziell viele Ersatzteile an Lager hält, oder ob man bereit ist ab und zu eine Verletzung der SLA einzugehen. Diese Risikoabwägung kann aber durch eine gut integrierte Business-Software datenbasiert diskutiert werden.

Matthias Zehnder

Matthias Zehnder berät Unternehmen bei der Auswahl und Einführung von Business Software Lösungen. Matthias ist Mitglied des Consulting Teams von schmid und siegenthaler consulting gmbh.