Digitale Transformation: Wandel ja, aber wie?

17.03.2023
6 Min.
Das Schlagwort «digitale Transformation» ist branchenübergreifend in aller Munde. Wo jedoch setzt man an – und welche Vorteile bringt der Schritt in die digitalisierte Welt? Die Redaktion klärt die Fragen im Gespräch mit Sascha Brändle. 
 
 

Sascha Brändle
Mit einem Informatik Background hat Sascha Brändle den Einstieg in die Druckbranche und später den Aufstieg in die Führungsetage einer grösseren Schweizer Druckerei geschafft. Auf der Suche nach spannenden Digitalisierungsprojekte hat er in den letzten Jahren die Digitalisierung in einer Personalberatungsgruppe erfolgreich vorangetrieben und umgesetzt. Seit dem 1. Juli 2022 unterstützt er mit «Sascha Brändle Consulting» Unternehmen bei der Digitalisierung. www.saschabraendle.ch
 
 
Patrick Schenk: Man begegnet dem Begriff «digitale Transformation» heute ständig. Was ist darunter überhaupt zu verstehen?
 
Sascha Brändle: Digitale Transformation bedeutet, dass sich ein Unternehmen so aufstellen sollte, dass es in der Lage ist, die neuen Technologien zur Erfüllung der Kundenerwartungen zu nutzen und/oder damit einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Der Kauf einer Digitaldruckmaschine ist in diesem Sinne genauso wenig eine digitale Transformation wie der sporadische Einsatz von Zoom oder Teams zu Meetingzwecken. Solange sich die Prozesse, die Produkte und das Geschäftsmodell nicht mitentwickeln, um dem Kunden einen Mehrwert zu liefern, ist es keine Digitalisierung. Erwarten meine Kunden allerdings eine qualitative hochwertige Video- und Audioübertragung in Onlinemeetings zur Präsentation meines Druckproduktportfolios – und schaffe ich mir dafür eine entsprechende Kamera, ein Headset und geeignete Lampen an – kann man es als – wenn auch kleinen – Schritt in der digitalen Transformation bezeichnen.
 
Ein weiterer unterschätzter Teil der digitalen Transformation besteht darin, eine passende Unternehmenskultur aufzubauen (Umgang mit Risiko, Fehler, Kundenorientierung und lebenslanges Lernen), die richtige Organisationsstruktur zu installieren (Innovation und Digitalisierung lassen sich nicht innerhalb einer bewährten Produktionsorganisation bewältigen) und eine der schnelllebigen Umwelt angepasste Führung zusammenzustellen. 
 
 
Warum sollte sich ein Unternehmen heutzutage digitalisieren? Welche Vorteile entstehen daraus?
 
Ich glaube an den Spruch «innovate or die». Mittelfristig werden diejenigen Unternehmen überleben, die sich ständig weiterentwickeln und – wenn nötig – neu erfinden. Digitalisierung ist eine Chance, voranzukommen. Schonungslos formuliert: Nicht-digitalisierte Unternehmen werden langfristig nicht überleben. Und ja, das gilt auch für ganz analoge Unternehmen – wie Taxifirmen zum Beispiel.
 
Ganz konkret lassen sich kurzfristig Kosten sparen, die Qualität steigern und die Kundenbindung erhöhen. Mittelfristig bringt die Digitalisierung Unternehmen Wachstum durch neue Märkte, neue Absatzkanäle und neue Produkte und Dienstleistungen. 
 
Oft denken wir bei Wettbewerbsvorteilen nur an den Kampf um Kunden und beachten dabei gar nicht den Kampf um gute Mitarbeitende …
 
 
Welche Geschäftsprozesse lassen sich digitalisieren? Gibt es Vorgänge, bei welchen es keinen Sinn macht, diesen Schritt zu gehen?
 
Ich denke, wir können allgemein sagen: Jeder Geschäftsprozess lässt sich digitalisieren. Welcher davon Sinn macht und welcher nicht, ist schwer zu beantworten und stark vom jeweiligen Unternehmen abhängig. Vor dem Digitalisierungsprozess muss man sich auf jeden Fall folgende Fragen stellen: Wird damit ein (Kunden-)Problem gelöst? Deckt der zu erwartende Ertrag den Umsetzungsaufwand? Ist es überhaupt technisch realisierbar? Wie gross ist das Risiko? Passt es zu meinem Unternehmen?
 
Ich kann hierzu ein praktisches Beispiel geben: Ein Kunde (grosses Anwaltsbüro) hat den Einsatz eines Roboters im Kundenempfang getestet. Technisch und in der Funktion funktionierte alles problemlos – auch der Investitionsaufwand passte. Aber die Kundenakzeptanz war nicht gegeben. Die Kunden des Betriebes waren (noch) nicht bereit, sich mit einem Roboter zu unterhalten – Projekt beendet. Der gleiche Test in einem Low Budget Hotel wäre vermutlich positiv verlaufen.
 
 
Angenommen, man hat sich für die Digitalisierung entschieden. Wie geht man am besten vor? Was sind die ersten Schritte in diesem Transformationsprozess?
 
Dann hat man verstanden, «warum» man den Weg der digitalen Transformation angetreten hat – Glückwünsche sind angebracht. Wie bei jeder Reise sollte zunächst der Ausgangspunkt geklärt werden, also eine Standortbestimmung durchgeführt werden. Ist klar, wo man auf der Landkarte steht, gilt es das Ziel zu definieren. «Was» will ich erreichen? Um dann schlussendlich den Weg dorthin zu beschreiben – mit anderen Worten das «Wie» zu beantworten. Ganz besonders beim Festlegen der Ziele gilt es Prioritäten zu setzen, um sich und die Organisation nicht zu überlasten. Jede Transformation ist eine Belastung für die Organisation – Prioritäten, regelmässige Erfolge und Verschnaufpausen sind matchentscheidend.
 
 
Sind für den Transformationsprozess Vorkenntnisse vonnöten? Falls ja, welche werden gebraucht oder empfohlen?
 
Ja, es erhöht die Erfolgschancen erheblich. Wir sind gewohnt, im Tagesgeschäft schwierige Produktionen fehlerlos, ja, sogar perfekt durchzuführen. Die digitale Transformation unterscheidet sich klar dazu: Der Prozess enthält standardmässig sehr viele unbekannte Variablen. Der Umgang mit diesen Unbekannten erfordert organisatorisch (z.B. fachgebietsübergreifende Projektteams), technologisch (Produktentwicklung im Unternehmen) und kulturell (z.B. Umgang mit Fehlern, Mobilisierung der Mitarbeitenden) einen komplett anderen Umgang als unser Tagesgeschäft. Wer transformieren will, sollte diese Faktoren verstehen und – ganz wichtig – wissen, wie der Wandel vollzogen werden kann, ohne das Kerngeschäft zu gefährden.
 
 
Technologische Fortschritte und Neuerungen gibt es allenthalben. Wie stelle ich sicher, dass ich (auch mit überschaubarem Budget und Unternehmensgrösse) auch in Zukunft mit der Technologie Schritt halten kann?
 
Das ist in der Tat eine grosse Herausforderung: Es ist in etwa so, als müsste man alle Börsenkurse der Welt beobachten! Heutige Trend-Technologien sind morgen wieder passé, nur um übermorgen wieder zu erscheinen. Die zuvor erwähnte Landkarte hilft uns enorm bei dieser Challenge: Ist diese gut ausgearbeitet, müssen wir «nur» die Technologien genauer beobachten, die wir zum Meistern des Weges zwischen Start (Ausgangslage) und Ziel benötigen. Ich erhalte wichtige Grundlageninformationen durch den Gartner Hype Cycle und die Tech Trends von Deloitte. Am wichtigsten aber ist und bleibt die systematische Beobachtung der Branche (Kundenansprüche, Konkurrenz etc.) – auch im Ausland.
 
 
 

Erfolgreiche digitale Transformation 

Warum soll man digitalisieren? Was soll man digitalisieren und wie tut man dies? 
 
In massgeschneiderten Trainings für Führungskräfte werden an der Digital Business Innovation-Academy Grundlagen wie Technologie, Zusammenhänge und Begriffe vermittelt. Gemeinsam werden dabei individuelle Strategien für das eigene Unternehmen und dazugehörige Umsetzungskonzepte erarbeitet. 
 
 
 

Der Autor

Patrick Schenk ist Chefredaktor des Fachmagazins PUBLISHER
 
 

Der Beitrag erschien im Special "Information Governance 2022 zum topsoft Fachmagazin 22-4

 

Das Schweizer Fachmagazin für Digitales Business kostenlos abonnieren

Abonnieren Sie das topsoft Fachmagazin kostenlos. 4 x im Jahr in Ihrem Briefkasten.