Digitaler Zwilling von Produkten: Hype oder Notwendigkeit?

20.08.2019
6 Min.
Die Bedeutung und Wichtigkeit des digitalen Zwillings von Produkten steigen mit der fortschreitenden Digitalisierung von Verkaufs- und Geschäftsprozessen. Die Pflege und Verwaltung von digitalen Produktinformationen sind sehr aufwendig. Durch den Einsatz spezialisierter Business Software kann die Pflege, Verwaltung und Bereitstellung von digitalen Produktdaten wesentlich vereinfacht werden.

Bild: Tayeb MEZAHDIA | Pixabay

Der Begriff des digitalen Zwillings wird aktuell in technischen Beiträgen und Kolumnen oft verwendet. Dabei wird unterschieden zwischen digitalen Zwillingen für Produktionsanlagen, Dienstleistungen, Prozessen und Produkten. Den Anwendungsfällen ist gemeinsam, dass man mit dem digitalen Zwilling Funktionen von Produktionsanlagen und Produkten prüft, bevor diese in der realen Welt existieren. Die Prüfungen und Tests werden ausschliesslich auf der Basis von digitalen Widergaben der Anlagen oder Produkten durchgeführt. Dazu werden die bei der Entwicklung entstandenen CAD-Daten und 3D-Modelle verwendet. Der digitale Zwilling von Produkten kann durch den Einsatz von CGI (Computer Generated Imagery) fotorealistisch dargestellt und vor der realen Verfügbarkeit des Produktes für Werbung und Marketing verwendet werden. Der digitale Zwilling eines Produktes ist somit immer vor dem realen Zwilling verfügbar und entwickelt sich (idealerweise) parallel zum realen Produkt weiter.

 

Verwendung im Vertrieb

Für die Simulation von Produkten und Produktionsanlagen und die Erstellung des digitalen Zwillings werden grosse, z.T. sehr komplexe Daten verwendet. Der digitale Zwilling eines Produktes, welcher für den Vertrieb verwendet werden soll, hat weniger detaillierte technische Ausprägungen. Dafür sind die für Marketing, Werbung, Promotion und Vertrieb notwendigen Daten viel umfangreicher. Neben technischen Informationen sind auch Produktdaten in Textform zwingend notwendig. Dies in verschiedenen Sprachen und in unterschiedlichster Ausprägung für Papierkataloge, e-Commerce, Verkaufsplattformen oder Kundensystemen, welche Daten für ihre Prozesse und Verkaufsaktivitäten benötigen. Zusätzlich soll der digitale Zwilling mit Bildern, Anwendungsfilmen und z.B. Animationen des realen Produktes ergänzt werden. Dies mit dem Ziel, dass das Produkt erfolgreich beworben und verkauft werden kann.

 

Verwendung in Service und Unterhalt

Für Service und Unterhalt bilden technische Daten, Zeichnungen und Modelle die Basis für eine effiziente Abwicklung. Diese Daten werden bei der Entwicklung des realen Produktes erstellt und können als Basis für den digitalen Zwilling verwendet werden. Modelle, welche Servicetechniker mittels Augmented Reality bei der Arbeit unterstützen, ergänzen den digitalen Zwilling wesentlich. Mit dem Einsatz des digitalen Zwillings von Anlagen und Produkten kann der Service und Unterhalt einer Unternehmung auf stets aktuelle, digitale Daten zugreifen und dadurch effizienter und zielgerichteter arbeiten.

 

Copyright: Roger Busch

 

Den digitalen Zwilling kreieren und pflegen

Die zum Teil sehr umfangreichen Daten eines digitalen Zwillings müssen gesammelt, erfasst und gepflegt werden, was ein sehr zeitintensives Unterfangen ist. Ist die Menge der zu pflegenden Produkte übersichtlich, sind heute ERP-Systeme, Excel-Dateien und SharePoint oder Verzeichnisse in Filesystemen die am meisten verwendeten Lösungen. Diese Lösungen sind vermeintlich einfach und günstig, da sie in jedem Unternehmen im Einsatz sind und keine zusätzlichen Kosten verursachen. Durch das Ablegen der Daten in unterschiedlichen Systemen, welche nicht miteinander verbunden sind, entsteht bei der Synchronisation und Aktualisierung der Dateninhalte ein grosser Aufwand. Manuelle Anpassungen von Teilsortimenten in Excel-Dateien und die Verlinkung von neuen Bildern, welche auf dem Fileserver liegen, werden schnell zu einer fehleranfälligen und zeitintensiven Tätigkeit, welche weder reproduziert werden kann, noch kann nachverfolgt werden, wer zu welchem Zeitpunkt Änderungen vorgenommen hat.

 

Für die Qualitätssicherung des realen Produktes wird im Rahmen der Produktionsprozesse viel Aufwand betrieben. Denn jeder Produzent will das Versprechen, welches er in Bezug auf Qualität und Leistung des Produktes abgegeben hat, gegenüber dem Kunden einhalten. Beim digitalen Zwilling, welcher für den Verkauf und das Marketing zentral ist, wird meist auf die Qualitätssicherung verzichtet. Aber ohne qualitativ hochstehende digitale Zwillinge können reale Produkte nur schwer verkauft werden. In den meisten Fällen hat der Kunde zuerst mit dem digitalen Zwilling eines Produktes Kontakt, bevor das reale Produkt gekauft oder bestellt wird.
PIM/MAM-Lösungen sind auf die Verwaltung und Pflege der Daten von digitalen Zwillingen spezialisiert. Diese Lösungen bieten Funktionen zum einfachen Import und der Pflege von neuen Sortimenten bzw. den digitalen Zwillingen der Produkte. Mit PIM/MAM-Lösungen können Prozesse zur Pflege und Verwaltung von Produktinformationen erstellt und Workflows definiert werden. Dies immer mit dem Ziel, dass die Qualität des digitalen Zwillings mit der des Produktes ebenbürtig ist. Der Einsatz von PIM/MAM-Lösungen bietet sich für Unternehmungen an, welche eine hohe Qualität der digitalen Zwillinge erreichen wollen und eine möglichst effiziente und nachvollziehbare Datenqualität benötigen.

 

Den digitalen Zwilling verfügbar machen

Die Erstellung und Pflege der digitalen Zwillinge von Produkten ist kein Selbstzweck. Die digitalen Produktinformationen werden innerhalb der eigenen Organisation vom Marketing für die Erzeugung von Verkaufsunterlagen oder vom Service/Unterhalt für die Arbeiten an den Anlagen und Maschinen verwendet. Sind die Daten des digitalen Zwillings in Excel-Dateien und Filesystemen abgelegt, ist der Zugriff auf die Daten des digitalen Zwillings vermeintlich einfach. Wenn aber überwacht werden soll, welche Informationen oder Bilder für welchen Zweck verwendet wurden, oder wenn Daten aktualisiert werden müssen, ist dies mit vernünftigem Aufwand kaum mehr zuverlässig und in der notwendigen Qualität zu bewerkstelligen. Werden Produktdaten ergänzt, aktualisiert oder verändert, entsteht grosser Aufwand. Eine weitere Herausforderung tritt auf, wenn verschiedene Kunden Produktinformationen in unterschiedlichen Formaten anfordern. Die Bereitstellung von Text- und Bildmaterial auf der Basis von Excel und Bildern, die auf dem Filesystem verfügbar sind, ist eine Aufgabe, die viel Zeit beansprucht und sehr fehleranfällig ist.

 

PIM/MAM-Systeme als Lösung

Am Markt verfügbare PIM/MAM-Systeme lösen die oben erwähnten Probleme. Mit Portalen können interne und externe Interessenten je nach Berechtigung Daten beziehen. Bei Bildmaterial kann gewährleistet werden, dass abhängig von der Aufgabenstellung Bilder nur in geringauflösenden Formaten zur Verfügung gestellt werden. Um den unterschiedlichen Anforderungen an Exportformaten gerecht zu werden, verfügen PIM/MAM-Lösungen über konfigurierbare Optionen. Diese werden pro «Datenempfänger» so konfiguriert, dass nur die vereinbarten Teilsortimente im vereinbarten Dateiformat mit den entsprechenden Bildern und der notwendigen Qualität bereitgestellt werden. Dabei wird jeweils zwischen einem gesamten oder einem inkrementellen sowie zwischen automatisierten und manuellen Exporten unterschieden.
 

Beschaffung von PIM/MAM-Software

Der Markt an PIM/MAM-Software ist gross und schwer vergleichbar. An der topsoft 2019 präsentieren im PIM/MAM Themen-Cluster zehn Anbieter ihre aktuellen Lösungen. Die Auswahl und Einführung von PIM/MAM-Lösungen stellt grosse Anforderungen an Unternehmungen. Für die Auswahl der passenden Software müssen sowohl die aktuellen wie auch die künftigen Anforderungen an die Lösung und die gewünschten Prozesse aufgenommen, dokumentiert und strukturiert werden. Im Anschluss daran muss die passende Software gefunden und deren Eignung hinterfragt und geprüft werden. Um Projektrisiken und Kosten zu minimieren, empfiehlt sich eine methodische, strukturierte Vorgehensweise, welche von einem externen Berater begleitet wird. Der Berater unterstützt die Evaluation und Einführung mit wertvollen Erfahrungen aus vergleichbaren Projekten und einer strukturierten Vorgehensweise.

 

 

Der Autor



Roger Busch ist Inhaber der busch-consulting GmbH und unterstützt Unternehmungen bei der Auswahl und Einführung von Business Software. Mit seiner langjährigen Berufs- und Projekterfahrung ist er ein kompetenter Ansprechpartner für technische, betriebswirtschaftliche und organisatorische Fragestellungen.

 

 

 

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