ERP der Zukunft – mächtiger Funktionsmonolith oder smarte Daten-Plattform?

21.04.2022
5 Min.
In den meisten Unternehmen stellt ERP-Software das digitale Rückgrat von Geschäftsprozessen dar. Die Entwicklung dieser Systeme war über Jahrzehnte geprägt von einer laufenden Erweiterung des Funktionsumfangs. Entstanden sind mit der Zeit mächtige, monolithische Applikations-Suiten. Geht dieser Trend weiter? Oder erfindet sich das ERP gerade neu als Daten-Plattform für das Andocken von Webservices, Apps und Drittsystemen? Erfahren Sie, wie Insider das ERP der Zukunft sehen. 
 
 

Beat Bussmann
Inhaber / CEO
Opacc Software AG

Markus Notter
Inhaber / CEO
redPoint AG

Jörg Holzmann
Geschäftsführer
myfactory Software Schweiz AG

Bernhard Bühlmann
Founder und CEO
ELIZA AG

 
 
Die Fragen wurden gestellt von Christian Bühlmann, Chefredaktor topsoft Fachmagazin für Digitales Business 

Welchen Einfluss hat der digitale Wandel auf die Bereitstellung und Nutzung von Business Software?

Beat Bussmann: Die Anforderungen an die User Experience sind aktuell im Steigflug. Das ist eine grosse Herausforderung. Die Opacc Plattform stellt für die umfangreiche Funktionalität hunderte von Datentypen mit über 20'000 Attributen zur Verfügung. Da muss man sich gut überlegen, wie diese für die User selbsterklärend und sicher zur Verfügung gestellt werden können. Dazu braucht es interdisziplinäres Know-how in der ganzen Breite und Tiefe. Aber gerade diese Herausforderung macht auch viel Freude. Denn die Ergebnisse sind sofort sichtbar.
 
Markus Notter: Der Arbeitsplatz der Zukunft (Smart Working Konzept) soll das Potenzial der einzelnen Mitarbeitenden besser nutzen. Mobil, flexibel, bedürfnisgerecht und sicher sind dabei unabdingbare Eigenschaften, welchen ein moderner Arbeitsplatz gerecht werden muss. Der Zugriff auf aktuelle Business-Daten und eine Plattform für die Zusammenarbeit (Collaboration) stehen also im Fokus. Microsoft Dynamics 365 Business Central (Cloud ERP) und Microsoft Teams geben adäquate Antworten auf diese Herausforderungen.
 
Jörg Holzmann: Die Digitalisierung schreitet aktuell schneller voran als je zuvor. Aktuelle Themen in den Kundenprojekten sind die Prozessintegration über die Unternehmensgrenzen hinaus – durch das Einbinden Dritter wie etwa Partner mit Unternehmens-Webportalen. 
 Das Reduzieren von Medienbrüchen, z. B. mobile Arbeitsrapporte auf Tablets im Aussendienst. Gefordert ist heute die Nutzung an jedem Standort wie Büro, Homeoffice etc. mit den verschiedensten Geräten: Notebook, Tablet, Smartphone oder auch im Lager mit mobilem Scanner
 
Bernhard Bühlmann: Im Gegensatz zu früher ist es heute möglich, Business Software vollständig aus der Cloud zu beziehen. Durch standardisierte Schnittstellen (REST API) können verschiedene Business Softwares miteinander kommunizieren. So können Kunden diverse Cloud Tools kombinieren und sind nicht mehr von einem einzigen Lieferanten abhängig. Um neue Arbeitskräfte der Generation Z zu gewinnen ist es wichtig, dass KMU über eine moderne und zeitgemässe Softwareumgebung verfügt.
 
 

Wie können Ihre Kunden den Funktionsumfang Ihrer Software bei Bedarf individuell erweitern?

Beat Bussmann: Sowohl unsere Plattform wie auch unsere Anwendungen lassen sich individuell adaptieren und erweitern. Dazu stehen den Kunden und ihren Betreuern entsprechende Werkzeuge zur Verfügung (Studio, DIY-Features, Scripting).
 Wichtig ist uns dabei, dass die Kompatibilität zu künftigen Versionen und Generationen stets erhalten bleibt. Was wir mit unserem Update-Versprechen garantieren und wofür wir auch mehrfach ausgezeichnet wurden.
 
Markus Notter: ED365 BC ist ein integriertes ERP-System und trotzdem kein Monolith. Die Basisfunktionen aus dem Standard können erweitert werden:
  • Über Standard- oder Kunden-Apps, welche redPoint entwickelt und zur Verfügung stellt 
  • Über Apps von Drittanbietern, welche einzelne Prozesse zusätzlich automatisieren 
  • Oder über den AppStore von Microsoft (AppSource)
Wichtig zu erwähnen ist, dass die gesamte Releasefähigkeit gewährt und automatisiert ist, auch bei unterhaltenen Apps.
 
Jörg Holzmann: Im myfactory.Cloud ERP können im Rahmen von Abos weitere Funktionen aufgeschaltet werden. Dadurch können Anwendungen bedarfsgerecht abgerechnet und genutzt werden. Bei Themen mit Erklärungsbedarf wird ein Projektleiter für die Implementierung beigezogen. Dies kann in Form von Schulungen oder Workshops vor Ort durchgeführt werden. Bei Bedarf können projektspezifisch Erweiterungen für neue Funktionen umgesetzt werden. Diese werden in der anpassbaren myfactory Public Cloud realisiert.
 
Bernhard Bühlmann: Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Zum einen können bei ELIZA zahlreiche Einstellungen vorgenommen werden, zum anderen bietet ELIZA eine REST API, welche für die Datensynchronisation mit anderen Business Softwares genutzt werden kann (z. B. Navision oder Abacus). Zudem gibt es eine Integration für Office 365 mit Single-Sign-On und den Online-Versionen von Word und Excel.
 
 

Wo sehen Sie das Potenzial frei zusammenstellbarer Pick & Mix-Anwendungen als Ergänzung zum Kernsystem?

Beat Bussmann: Pick & Mix und Best of breed-Ansätze können ihr Potenzial nur dann entfalten, wenn sie perfekt in die Daten- und Funktionsmodelle der Kernanwendungen integriert sind. Dazu gehört auch eine uneingeschränkte Release-Fähigkeit dieser Integrationen. Sowohl Kern- wie Dritt-Anwendungen müssen dabei unabhängig voneinander jederzeit Release-Wechsel zulassen. Ist dies nicht der Fall, wird es immer wieder Rückschritte geben, welche mit viel Aufwand abgefangen werden müssen.
 
Markus Notter: Es trifft den Zeitgeist. User sind sich heute in vielen Bereichen gewohnt, ihr Kernsystem durch intelligente Apps und Tools abzurunden. Warum soll das ERP hier die Ausnahme bleiben? Anders gesagt, warum soll ich meinen bestehenden Webshop, meine Marketing-Automation-Lösung, mein Tickettool oder eine BI-Lösung nicht einfach via App mit dem Kernsystem verbinden können?
 
Jörg Holzmann: Im Verlauf des Jahr 2022 wird der myfactory AppStore unseren Kunden zur Verfügung stehen. In diesem können myfactory Anwendungen ergänzt sowie auch Drittsystem einfach dazugebucht werden. Ebenso stehen dort Vorlagen z. B. für E-Commerce Anwendungen wie Web-shop oder Webportale zur Verfügung. Der myfactory AppStore wird durch myfactory Partner und Drittsystem Lieferanten laufend ausgebaut sowie um Funktionen und Anwendungen erweitert.
 
Bernhard Bühlmann: Schon heute können durch geschickte Kombination von Cloud-Tools Kernanwendungen mit nützlichen Funktionen erweitert werden. Bestes Beispiel hierzu ist Bexio, welches sehr viele Integrationen von weiteren Business Softwares erlaubt. 
Leider bieten noch nicht alle Hersteller eine offene REST API an, was die Nutzung von Zusatzdiensten bei anderen Kernanwendungen erschwert oder sogar verhindert.
 
 

Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 22-1

 

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