Eine technologische Welle nach der anderen überrollt die öffentliche Verwaltung: Geschäftsprozessmanagement, serviceorientierte Architektur, Elektronische Geschäftsverwaltung, Cloud Computing, E-Government, Bring-your-own-Device, Mobile Computing, Responsive Design auf E-Gov-Portalen… Kein Bereich der öffentlichen Verwaltung existiert, der von diesen Themen nicht betroffen wäre. Interessieren tut es nur Wenige. Die Presseberichte zu Beschaffungsfragen und -problemen im Bereich des öffentlichen Sektors sind zahlreich. Dies wird voraussichtlich auch noch länger so bleiben.

Was ist der Grund dafür? Mit der zunehmenden IT-Durchdringung der öffentlichen Verwaltung – man darf ohne zu übertreiben von einem Milliardenmarkt sprechen, genaue Studien dazu existieren nicht – hält aus Sicht von Aussenstehenden die Maturität und das Management der Fähigkeiten im IT-Bereich in der öffentlichen Verwaltung nicht Schritt mit den zunehmend neuen Technologietrends. Insbesondere haben viele Exekutivmitglieder noch nicht begriffen, von wie zentraler Bedeutung die IT heute für eine öffentliche Verwaltung ist. Dass hochqualifizierte IT-Angestellte fehlen, hat zunächst auch mit den tieferen Löhnen in diesem Bereich zu tun. Firmen zahlen für IT-Mitarbeiter in der Regel mehr. Es hat aber auch mit der fehlenden Einsicht zu tun, dass das Informations­ma­na­gement als Führungsaufgabe viel stärker in den „Geschäftsleitungen“ der öffentlichen Verwaltung verankert sein müsste. Stichworte hierzu sind IT-Governance, IT-Servicemanagement, Unternehmens­archi­tek­tur­management, etc. Hand aufs Herz: Wo überall in Gemeinden, Städten, Kantonen und Bundes­äm­tern existieren Unternehmens-Strategien und darauf abgestimmte IT-Strategien?

Nichts destotrotz steht E-Government schon länger als Traktandum auf der Taskliste einiger weniger leitender Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung. Veränderungen im Organisationsgefüge von öffentlichen Verwaltungen ändern sich – sehr, sehr langsam zwar, aber sie ändern sich. Und trotzdem sind sie im Kontext der Digitalisierung unserer Lebenswelt längerfristig unaufhaltsam. Mit E-Government wandert immer mehr Geschäft der öffentlichen Verwaltung ab ins Netz. Werden wir eines schönen Tages auch unsere elektronische Identität (vom Staat?) erhalten, wird dies zweifellos noch viel stärker der Fall sein. Dies bedeutet möglicherweise, dass der Gemeinde- oder Amtsschalter künftig verwaist sein wird oder ganz eingestellt wird. Wie sollen Gemeinden, Städte, Kantone, Bundesstellen mit diesen Herausforderungen umgehen?

Die öffentliche Verwaltung gehört uns allen. Umso wichtiger wird es, dass wir auch dem Themenbereich IT-Management in der öffentlichen Verwaltung mehr Zuwendung schenken und uns mitinvolvieren lassen in diese spannenden Entwicklungen. Es braucht dazu, wie der Staat der Zukunft ausgehend von der Digitalisierung aussehen soll, einen breiten Diskurs. Das Stichwort ist hier Digital Government. Die öffentliche Verwaltung ist mit E-Government und M-Government zunehmend bei uns zu Hause.  Frühzeitig müssen wir lernen damit umzugehen.Ein weiteres künftig immer dominanter in den Vordergrund tretendes Themenfeld ist die Frage IT-Sourcing. Wollen wir als Gemeinde, Stadt, Kanton, Bundesamt unsere IT weiterhin selber managen oder wollen wir dazu auf externe Anbieter zugreifen? Die im Cloud Computing thematisierte Frage, ob die Daten denn auch in der Schweiz gehalten würden, ist heute keine Herausforderung mehr und gegeben. Es gibt unvorstellbar viele Cloud Anbieter in der Schweiz, die garantieren, dass die Daten in der Schweiz und nicht in den USA gespeichert sind. Hier liegt die Herausforderung heute anderswo. Nämlich in den Fähigkeiten, die Verwaltung haben muss, um diese externen Anbieter im Sinne der Gemeinde, der Stadt, des Kantons oder des Bundesamtes zu managen oder zu orchestrieren. Meist werden es ja mehrere Anbieter sein die IT-Services liefern. Wenn ich als öffentliche Verwaltung die IT vor einem Outsourcing oder Cloud Computing nicht im Griff hatte, dann habe ich sie auch nach dem Outsourcing nicht im Griff. Neue Fähigkeiten sind gefragt, die in IT-Bereichen der öffentlichen Verwaltungen erst entwickelt werden müssen. Vom IMAC-Mitarbeiter (Install, Move, Add, Change) muss ich mich zum Sourcing- und Supplier-Manager und -Orchestrator weiter entwickeln. Schauen Sie genau hin, Wissensvermittlung dazu wird an der Academy GOV vom 30./31. August 2016 anlässlich der GOV@CH 2016 an der Messe vonstatten gehen.

Die Zeiten sind vorbei, möglicherweise noch nicht ganz überall, wo der Server für die Gemeindeverwaltungslösung inklusive ERP-Komponenten unter dem Schreibtisch des Gemeindeschreibers gehostet wird oder steht. Neu wird ein professionelles IT-Management in der öffentlichen Verwaltung ein immer wichtigeres Thema. Denn funktioniert die IT nicht mehr, können die Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung nach Hause gehen. Klar, die Bedeutung hier ist (noch) nicht so zentral wie bei einer Bank oder einem Online-Händler. Doch je mehr Dienstleistungen aus dem Bereich E-Government stammen, desto dominanter wird die Abhängigkeit des Verwaltungshandelns von der IT. Mein Appell: Tun wir endlich etwas und schenken wir der IT in der Öffentlichen Verwaltung die ihr gebührende Aufmerksamkeit.

Konrad Walser

Prof. Dr. Konrad Walser ist Dozent und Senior Researcher am E-Government-Institut der Berner Fachhochschule | www.e-government.bfh.ch. Er ist Co-Organisator und Programmleiter der Gov@CH  – der neuen Messe und Konferenz für Digitale Verwaltung.