Sind dynamische Preise fair?

27.06.2020
1 Min.
Kolumne von Cornelia Diethelm – Die Möglichkeit dynamischer Preise im Internet zeigt, wie wichtig es ist, neue Technologien mit Augenmass einzusetzen. Sie dürfen nie Selbstzweck sein.
 
(Bild: Okan Caliskan / pixabay.com)
 
Wir sind mit Einheitspreisen aufgewachsen und empfinden sie als fair. Doch bei datenbasierten Geschäftsmodellen lässt sich der Preis während des Tages dynamisch anpassen oder auf eine einzelne Person zuschneiden, basierend auf ihrer Datenspur und ihrem Verhalten. Ist es fair, wenn meine Arbeitskollegin für eine Drohne mehr bezahlen muss als ich, nur weil sie vom System als kaufkräftiger eingestuft wird? 
 
Für die Akzeptanz ist entscheidend, dass wir wissen, wie der Preis zustande kommt, und falsche Daten bei Bedarf korrigiert werden können. Doch diese Transparenz fehlt im Internet. Natürlich haben wir schon von grossen Preisunterschieden beim Buchen von Flügen oder Hotels im Internet gehört. Doch die wenigsten sind sich dem im Alltag bewusst, denn akzeptiert werden sie nicht. 
 
In einem Experiment mit 2000 Personen hat sich beispielsweise gezeigt, dass sie Preisdifferenzierungen durchwegs als unfair empfinden, unabhängig davon, ob sie von diesen profitieren oder nicht. Weshalb? Kundinnen und Kunden gehen davon aus, dass solche Preise langfristig für sie von Nachteil sind. Und sie befürchten, dass andere Personen noch bessere Konditionen erhalten könnten, was sie unzufrieden macht und ihr Vertrauen in das Unternehmen schädigt. 
 
Natürlich könnte man einwenden, dass wir auf dem Markt bereits individualisierte Preise haben. Doch hier stehen sich zwei Personen gegenüber. Sie lassen sich auf den Aushandlungsprozess ein und fühlen sich verantwortlich für das eigene Tun. Diese Wahl fehlt im Internet. Der Preis wird einseitig festgelegt. Ethisch bedenklich ist, wenn kaufkräftigen Kundinnen günstige Angebote aufgrund der errechneten Zahlungsbereitschaft gar nicht erst angezeigt werden oder wenn ein dringend benötigtes Produkt überteuert angeboten wird. 
 
Viele Kundinnen und Kunden haben kein Problem mit angepassten Preisen, wenn es dafür einen nachvollziehbaren Grund gibt. Unternehmen tun deshalb gut daran, neue Preismodelle mit Augenmass einzusetzen, um gute Kundenbeziehungen nicht zu gefährden. 
 
 
Für das renommierte Marktforschungsinstitut Gartner gehört Digitale Ethik zu den Top-Themen von strategischer Bedeutung für Unternehmen. Cornelia Diethelm macht diesen Megatrend in ihrer Kolumne erlebbar, indem sie aktuelle Aspekte der Digitalen Ethik beleuchtet.
 
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Die Autorin


Cornelia Diethelm, Gründerin des Centre for Digital Responsibility (CDR), dem Think Tank für Digitale Ethik
 
 

 

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