Warum ich mich nicht bei Ihnen bewerbe – ein Perspektivenwechsel

18.03.2021
3 Min.
Bereits beim Begriff «Human Resource Management» wird klar, wie die traditionelle Betriebswirtschaftslehre den Menschen als Ressource in eine Unternehmensfunktion «zwängt». Höchste Zeit, die Perspektive zu wechseln und die BWL-getrübte Brille der Unternehmenssicht mit einem bewerberzentrierten Mikrofasertuch zu putzen. Das sorgt für Klarsicht und neue Erkenntnisse.
 
(Bild: jobalino)
 
Der Weg eines Bewerbers von der Jobsuche über den Bewerbungs- und Interviewprozess bis zur Einstellung wird im Fachjargon als «Candidate Experience» oder «Candidate Journey» bezeichnet. Aber denken Sie daran, mich als Bewerber interessiert es nicht, mit welchem Anglizismus Sie meine Erfahrungen in Ihrer HR-Strategie bezeichnen. Als Bewerber interessieren mich Einfachheit, Transparenz und Offenheit. Diese Punkte müssen von Ihrer HR-Software abgedeckt werden können. 
 
 

Ich finde Ihr Unternehmen nicht

Der erste Grund, weshalb ich mich nicht bei Ihnen bewerbe ist, weil ich Ihr Unternehmen und Ihre offenen Stellen nicht finden kann. Entweder erscheinen Sie in meiner Google-, LinkedIn- und Jobportalsuche nicht oder ich habe die ortsübliche Inserate-Post bereits vor Jahren abbestellt. 
 
Besonders ärgerlich ist dies, wenn Ihr Unternehmen keine 30 Kilometer von meinem Wohnort entfernt den Hauptsitz hat. Gerade Regionalität und die Nähe zum Wohnort kann für KMU im Kampf um die besten Talente entscheidend sein. Knapp 50 % der Arbeitnehmenden möchte nicht länger als 60 Minuten zum Arbeitsort pendeln (Jobcloud, 2019). Es lohnt sich, ein E-Recruiting System einzusetzen, damit Ihre Jobs auf den wichtigsten Plattformen indexiert und somit gefunden werden. 
 
 

Wenn ich Sie finde, bewerbe ich mich nicht

Bereits ein erster Ritterschlag für Ihr KMU und ein Kompliment an Ihre SEO-Spezialisten ist es, wenn ich als Jobsuchender auf Ihrer Webseite und bei Ihren offenen Jobs lande. Dies passiert übrigens nicht, wenn die Jobs in der Fusszeile der Webseite verlinkt sind oder ich auf Ihrer Seite fünf Mal klicken muss, bis ich überhaupt bei den offenen Stellen lande. Entwirren Sie dieses Labyrinth und schicken Sie mich mit nur einem Klick durch die Tür zu den offenen Stellen. 
 
Ich sitze im Zug oder stecke in einem monologisierten Zoom-Call fest. Gelangweilt navigiere ich mich nun via Smartphone durch die metaphorische Tür zu Ihren offenen Stellen. Ich klicke auf eine interessante Stelle, da öffnet sich doch tatsächlich mein PDF-Reader auf dem Smartphone. «Eine Tür hinter der Tür? Sicherheit geht wohl vor», denke ich mir. Ich zoome mich an die Beschreibung des Stelleninserates heran und lese mit zugekniffenen Augen durch meine Bewerber-Brille die Anforderungen durch. Aber wer genau soll denn dieses Anforderungsprofil erfüllen? Da gehe ich lieber rückwärts durch die beiden Türen wieder raus, als mich auf eine solche Stelle zu bewerben. 
 
Hier hilft es, die Perspektive zu wechseln und sich zu fragen, wie viele der (BWL-Theorie)-Anforderungen wirklich nötig sind und was «on-the-job» noch gelernt werden kann. Eine Studie der Recruiting-Agentur «TalentWorks» hat gezeigt, dass man durchschnittlich nur 50 % der Anforderung erfüllen muss, um für ein Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Also weg mit den unnötigen restlichen 50 %, denn die verunsichern die Bewerber nur unnötig. 
 
 

Wenn ich mich bewerben will, nerve ich mich

Sie haben mich jetzt aber soweit, dass ich mich tatsächlich durch das Labyrinth gekämpft habe und auf «Jetzt bewerben» klicke. Als Bewerber erwarte ich nun einen einfachen, stringenten und übersichtlichen Prozess. Klar, Sie benötigen gewisse Informationen für eine Bewerbung, z. B. einen Lebenslauf, E-Mail-Adresse und, wenn nötig, ein paar gezielte Fragen. Wenn Sie aber ein kopiertes, nicht aufrichtiges und nur zur Vollständigkeit der Formalität erfüllendes Motivationsschreiben von mir verlangen, bin ich weg. Noch weniger verstehe ich es, wenn Ihr Bewerber-Tool ein Login von mir verlangt, bevor ich mich überhaupt bewerben kann. In solchen Situationen braucht es nicht nur ein Mikrofasertuch für die getrübte Brille, sondern eher einen Anti-Beschlag-Spray. 
 
Auf dem sonst schon sehr steinigen Weg von der Jobsuche bis zum Abschluss der Bewerbung sind dies unnötige und vermeidbare Hürden. Habe ich diese einmal überwunden und meine Bewerbung erfolgreich abgeschickt, möchte ich zum Abschluss noch Folgendes festhalten: Erhalte ich keine Rückmeldung von Ihnen oder eine unpersönliche Absage nach drei Monaten Funkstille, werde ich mich nie wieder bei Ihnen bewerben. Beklagen Sie sich also nicht, dass Sie keine Bewerbungen erhalten, weil der «Markt so ausgetrocknet» ist oder der Fachkräftemangel «uns halt schon sehr trifft». Nein, schauen Sie genauer hin und sorgen Sie für Offenheit und Transparenz. Bauen Sie unnötige Hürden ab und achten Sie bei der Evaluierung und Nutzung von HR-Tools auch auf die bewerberzentrierte (Klar)Sicht.
 
 
Dieser Beitrag wurde ermöglicht durch jobalino, einem Bewerber-Tool mit Klarsicht. jobalino unterstützt KMU mit einer einfachen und intuitiven Software für die digitale Verwaltung von Bewerbungen und Jobs.
 
 

Der Autor

Jan Lindegger ist CEO & Co-Founder von jobalino, einem Bewerber-Tool mit Klarsicht. jobalino unterstützt KMU mit einer einfachen und intuitiven Software für die digitale Verwaltung von Bewerbungen und Jobs. www.jobalino.ch 
 
 

 

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