Nicht immer können dabei die Anforderungen eines Unternehmens mit einer Standard-Softwarelösung abgebildet werden. Vermehrt werden wieder Eigenentwicklungen in Betracht gezogen. Gründe dafür sind deutlich bessere Grundlagen wie leistungsfähige, moderne Entwicklungsumgebungen und Softwarekomponenten (Services), die zum Teil gratis verfügbar sind.

 

Der Einsatz von Informationstechnologie ist in den meisten Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Vielerorts sind unternehmenskritische Geschäftsprozesse zwingend auf die Verfügbarkeit von Systemen und Applikationen angewiesen. Nicht immer können dabei die Anforderungen eines Unternehmens mit einer Standardlösung abgebildet werden.

Business Software als Differenzierungsmerkmal? Ja, wenn zum Beispiel individuelle Fähigkeiten eines Unternehmens eine zentrale Rolle spielen. Individualsoftware kann Wettbewerbsvorteile oft besser unterstützen als Standardsoftware, welche darauf ausgerichtet ist, Standardanforderungen in vielen Unternehmen zu erfüllen.

Gab es vor etwa zehn Jahren noch einen klaren Trend weg von Individuallösungen hin zur Standardsoftware, werden heute vermehrt wieder Eigenentwicklungen in Betracht gezogen. Gründe dafür sind deutlich bessere Grundlagen wie leistungsfähige, moderne Entwicklungsumgebungen und Softwarekomponenten (Services), die zum Teil gratis verfügbar sind.

Standardsoftware – bewährte Lösungen für viele

Längst hat die Industrialisierung hat auch bei der Software-Herstellung Einzug gehalten und die Manufakturen durch Fabriken abgelöst. Anders als mit der Massenproduktion von Software wäre die enorm gestiegene Nachfrage seit den 1980-er Jahren nicht zu bewältigen gewesen.

Dank Standardsoftware können gleichzeitig viele Unternehmen mit gleichen Anforderungen bedient werden. Implizit heisst dies, dass sich die Kunden dieser Lösungen kaum oder wenig differenzieren. Was liegt da für einen Softwarehersteller näher, als sich möglichst am Durchschnitt zu orientieren? So kann er möglichst viele Kunden mit seinen Produkten bedienen. Damit dennoch eine gewisse Bandbreite an Individualität zur Verfügung steht, verfügen die meisten Standardlösungen über verschiedene Anwendungsbausteine und zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten.

Notabene, auch Standardsoftware wird häufig noch um ein individuell entwickeltes Modul ergänzt (Tipp: Lassen Sie sich in diesem Fall vom Hersteller bestätigen, dass dieser „Indiv-Teil“ auch releasetauglich ist). Für die meisten Unternehmen genügt jedoch der standardmässig mögliche Grad an Individualität. Nicht selten kommt es in der Praxis vor, dass Firmen sogar froh sind, sich an den Standardprozessen der Software orientieren zu können. Ganz nach dem Motto: Was viele machen, muss gut sein.

 

Symbolbild: matham315 via Pixabay

 

Individualsoftware – massgeschneidert für ein Unternehmen

Wer einen perfekt sitzenden Anzug sucht, wird sich bei einem Schneider die Masse nehmen lassen und sich die Kleidung quasi auf den Leib schneidern lassen. Für den hohen „Tragekomfort“ und das elegante Aussehen werden die Mehrkosten und die längere Wartezeit gegenüber einem Modell ab der Stange ohne weiteres in Kauf genommen. Ähnlich verhält es sich bei der Entscheidung für eine individuelle Softwarelösung.

Ausgangspunkt ist nicht ein fertiges Produkt, sondern das spezifische Anforderungsprofil eines Unternehmens. Der Softwarehersteller wird – ähnlich wie ein Schneider – die Konturen abstecken, den Bedarf analysieren und sein Fachwissen in Form von Beratung einbringen. Im Gegensatz zur Standardsoftware dominieren bei Individualsoftware nicht die Produkte, sondern die Dienstleistungen. Wortwörtlich massgebend ist das Unternehmen, für welches die neue Lösung entwickelt werden soll.

Das Produkt orientiert sich – im Gegensatz zur Standardsoftware – ganz am Kunden; dieser muss klare Vorstellungen über die gewünschte Lösung haben und diese in einer aktiven Zusammenarbeit mit den Software-Entwicklern umsetzen. Die Beschaffung von Individualsoftware ist nicht zu unterschätzen und gestaltet sich meist noch viel schwieriger als von Standardlösungen. Diese lässt sich vor dem Kauf anschauen, testen und bei Referenzkunden im konkreten Einsatz erleben. Wird eine Lösung neu entwickelt, gibt es kaum Vergleichsmöglichkeiten.

Daher ist es notwendig, die Lasten-/Pflichtenhefte noch viel genauer zu definieren, will man nicht eine Fahrt ins Ungewisse riskieren. Dies gilt ganz besonders auch dann, wenn die Software gesetzliche Vorschriften erfüllen muss. Ein Beispiel dafür sind die GxP-Richtlinien in Zusammenhang mit Pharmazieprodukten. Die dafür notwendigen Eigenschaften neu zu entwickeln, kann ganz schön ins Geld gehen.

Vorteile, Nachteile? Es kommt auf die Erwartungen an

Wie erfolgreich der Einsatz von Business Software ist, hängt vom Erfüllungsgrad der Erwartungen ab. Diese können sich bei den verschiedenen „Stakeholdern“ und Anwendern im Unternehmen deutlich unterscheiden. Es empfiehlt sich sehr, die unterschiedlichen Erwartungen vor Beginn einer Evaluation transparent zu machen – diese werden über Vorteile und Nachteile einer Lösung bzw. über Erfolg und Nutzung entscheiden. Je nach Erwartungshaltung werden die folgenden Stärken als Schwächen empfunden, oder umgekehrt. Die nachfolgende Aufzählung erhebt weder Anspruch auf allgemeine Gültigkeit noch auf Vollständigkeit.

Standardsoftware…

  • wird laufend weiterentwickelt und widerspiegelt in gewissem Sinn die Marktentwicklung. Anwender profitieren von neuen Funktionen, welche aus den Bedürfnissen vieler Unternehmen entstehen.
  • kann bequem eingekauft werden. Die Anschaffungskosten sind in der Regel tiefer als bei Individualsoftware, da der Hersteller den Entwicklungsaufwand auf viele Kunden verteilen kann.
  • hat eine breitere Anwenderbasis, was den Erfahrungsaustausch ermöglicht und Sicherheit hinsichtlich Verfügbarkeit an Know-how und Ressourcen im Markt gibt.
  • bietet einen Support mit umfassenden Kenntnissen der Standardprodukte. Zudem stehen häufig Anwenderforen und FAQs zur Verfügung.
  • verfügt über eine höhere Software-Qualität, da ein Mehrfaches an Benutzer die Lösung quasi täglich testen. Der Hersteller kann sich auf die Verbesserung eines einzelnen Produkts konzentrieren.
  • stellt mehr Informationen, Dokumentationsmaterial und Schulungsmöglichkeiten zur Verfügung. Dadurch lässt sich die Anwendung schneller erlernen und einsetzen.
  • hat eine grössere Verbreitung, so dass sich Personal mit Vorkenntnissen einfacher rekrutieren lässt.
  • kann schneller eingeführt werden, da das Produkt nicht neu entwickelt werden muss.
  • ist hinsichtlich Oberfläche und Ergonomie ausgereift.

 

Individualsoftware…

  • bietet einen massgeschneiderten Funktionsumfang und vermeidet unnötigen Ballast. Dadurch wird der Einsatz effizient.
  • passt sich völlig den Prozessen an, so dass ein Unternehmen seine Stärken und Wettbewerbsvorteile voll ausspielen kann.
  • Wird von den Benutzer meistens problemlos akzeptiert, da diese oft von Beginn an in das Projekt involviert sind (Erwartungen!)
  • erübrigt logischerweise zusätzliche individuelle Anpassungen nach der Einführung. Dem Kunden steht ein maximales Mitspracherecht zu. Dies auch zu einem späteren Zeitpunkt.

 Entscheidung erfordert umfassende Betrachtung

Es ist klar, dass sich die Entscheidungsgrundlage für oder gegen eine Individual- oder Standardsoftware nicht einfach auf Kosten oder Funktionen reduzieren lässt. Welcher Weg für ein Unternehmen der richtige ist, lässt sich nur vor dem konkreten Hintergrund der Kundenanforderungen festlegen.

Dieses Spannungsfeld lässt sich ganz grob in vier Bereiche unterteilen: Funktionen, Kosten, Ziele und Möglichkeiten. Nicht in jedem Fall lässt sich die Wahl zwischen Individuallösung und Standardsoftware klar entscheiden. Je nach Organisation, Prozesse und Möglichkeiten eines Unternehmens bieten beide Wege Vorteile und Risiken.

Ein wichtiges Entscheidungskriterium ist sicher die Frage, was die Software – in Abhängigkeit von der Individualität eines Unternehmens – im Endeffekt leisten muss. Der Trend geht heute zwar immer noch klar in Richtung Standardsoftware, doch machen individuelle Lösungen langsam wieder Boden gut.

Die 5 wichtigsten Fragen bei der Wahl von Individualsoftware

  1. Steht die Verwendung von Individualsoftware einem strategischen Nutzen gegenüber?
  2. Rechtfertigen die Kosten für die individuelle Lösung den damit verbundenen Nutzen (diese Frage stellt sich natürlich auch bei Standardsoftware)?
  3. Wurde genügend im Markt recherchiert, ob es nicht eine geeignete Standardlösung gibt?
  4. Könnte ein anderer IT-Partner die Individualsoftware warten und weiterentwickeln, wenn der ursprüngliche Lieferant/Hersteller ausfällt?
  5. Sind intern genügend Zeit und Know-how für die Erstellung eines detaillierten Lasten-/Pflichtenhefts vorhanden? Externe Beratungsdienstleistungen sind ein zusätzlicher, nicht zu unterschätzender Kostenfaktor.

 

Softwareentwicklung Marktübersicht und Evaluation

Die topsoft bietet ein Evaluationstool sowie Produkt- und Anbieterübersichten als Orientierung im Markt der Softwareentwicklung. Passende Referenzen und Fallstudien sowie spezifisches Fachwissen vermitteln zudem ein umfassendes Bild über den Einsatz von Individualsoftware. Die Nutzen sämtlicher Funktionen ist kostenlos.

 

Diesen und weitere Artikel zum Thema „Softwareentwicklung“ ist im topsoft Magazin 4-13 erschienen. Sie können das Magazin hier kostenlos bestellen.