Digitalisierung bietet die bislang grösste Wachstumschance

«Unsere neue Unternehmenskultur muss auf Wachstum ausgerichtet sein», verkündet Satya Nadella in einer Mail an alle seine Mitarbeiter. Alle nicken, doch vielen ist diese Ansage des Microsoft-CEO zu banal: «Sensationelle Neuigkeit», kommentiert leicht zynisch ein Manager der mittleren Führungsebene im europäischen Headquarter die Aussage. Jedes Unternehmen MUSS wachsen, sonst verliert es Anschluss und verschwindet im schlimmsten Fall vom Markt. Dass ausgerechnet Microsoft erst jetzt darauf kommt, überrascht etwas.

Wachstum braucht neue Messgrössen

Klassisch wird Wachstum über wenige Kennzahlen wie Umsatz, Ertrag, Marktanteile oder gar die Anzahl der Mitarbeiter definiert. Wenn der primäre Fokus eines Unternehmens in der heutigen Zeit darauf ausgelegt ist, besteht grosse Gefahr, dass gut gemeintes und auch geplantes Wachstum in krankes Wachstum umschlägt. Um hier vorzubeugen, gewinnen andere Faktoren wie Mitarbeiterzufriedenheit, geringe Fluktuation, Loyalität von Kunden und Geschäftspartnern usw. an Bedeutung. Erst die Ausgewogenheit zwischen harten Kennzahlen, einem zumeist quantitativen Wachstum und qualitativen Aspekten sorgt dafür, dass ein Unternehmen gesund und nachhaltig wächst. Die anderen Unternehmen sind potentielle Übernahmekandidaten oder gehen komplett vom Markt.

Automatisierung hilft Mitarbeiterpotentiale freizusetzen

Bei dem Blick in Unternehmen und Organisationen ist festzustellen, dass viele Menschen – gerade in der Verwaltung – täglich Routinetätigkeiten erfüllen müssen. Da kommen Anträge, Kundenanfragen oder Rechnungen per Post oder per E-Mail zur Begutachtung oder Kontrolle, um schlussendlich im ERP oder in anderen Geschäftsanwendungen zu landen. Die meisten Dokumente und Informationen werden heute vorher aus genau diesen Systemen erzeugt. Macht dies langfristig Sinn? Natürlich nicht, denn der Mensch wird durch diese Routinetätigkeiten davon abgehalten, sich weiterzuentwickeln. Seit vielen Jahren beobachte ich Mitarbeiter und Führungskräfte in Unternehmen und frage sie, ob ihnen ihr Job richtig Spass mache, ob sie an ihrem Arbeitsplatz mit ihren Stärken perfekt eingesetzt und ihre wertvollen Talente gefördert würden. Die Antwort ist dabei leider häufig dieselbe: Nein.

Jenseits der Komfortzone

Da Routinen etwas mit Sicherheit und Verlässlichkeit zu tun haben, werden sie von vielen Menschen geschätzt, auch wenn ihr persönliches Wachstum dadurch beschränkt wird. Viele Führungskräfte und Mitarbeitende denken oft, mit den Vorgehensweisen und Einstellungen der Vergangenheit auch in der Gegenwart oder sogar der Zukunft erfolgreich zu sein. Das ist auch der Grund dafür, warum jede Einführung einer neuen Business-Software nebst der Chance auch ein Risiko darstellt. Dabei geht es nicht um Features und Funktionen. Diese wurden vorher ja bereits durch einen intensiven Anbietervergleich geprüft. Der zentrale Punkt ist, dass mit jeder Neueinführung oder Ablösung von Altanwendungen sich Abläufe und damit Routinen ändern. Genau betrachtet, ist jedes Projekt in diesem Umfeld ein Change-Projekt. Das hat zur Folge, dass sich Menschen in ihrem Verhalten ändern müssen bzw. dürfen. Und genau dort liegt die Wachstumschance – insbesondere, wenn ich die gewonnene Zeit wertschöpfend einsetze. Gerade in sehr wettbewerbsintensiven Umfeldern braucht es Ideen und Lösungen, die entstehen können, wenn der Geist frei ist.

Wachstum ist nicht nur eine Frage von Geschwindigkeit

Die Umgebung, in der wir uns befinden, ist geprägt durch Schnelligkeit, welche durch die zunehmende Digitalisierung mitverursacht und unterstützt wird. Schnelligkeit ist allerdings noch nicht der Garant, welcher Unternehmen im Wettbewerb auch wachsen lässt. Charles Darwin kam bereits in seiner Evolutionstheorie zu der Erkenntnis, dass nicht der Grösste und der Schnellste, sondern der Anpassungsfähigste überlebt. Die Digitalisierung ermöglicht es, jederzeit und an fast allen Orten der Welt über Smartphones und Internet auf Informationen zugreifen zu können. Dies verändert die Art, wie Menschen und Unternehmen zusammenarbeiten und Geschäfte machen. Um hier mitzuhalten, ist gesundes Wachstum mehr gefragt als der Fokus auf nackte Zahlen, Umsätze und Erträge – und dadurch womöglich noch den Aktionismus zu verstärken. Im Kern geht es darum, Erwartungen von Kunden, Konsumenten, Geschäftspartnern und Mitarbeitenden kontinuierlich zu erfüllen.

Sei da, wo der Puck sein wird

Im Eishockey heisst es «Sei da, wo der Puck sein wird, und nicht da, wo er gerade ist». Aufs Business übertragen, bedeutet das, dass Informationen und Angebote zum richtigen Zeitpunkt vorliegen müssen. Dazu muss man in der Lage sein, die Zielgruppen besser zu verstehen, als dies die Mitbewerber können. Wichtig ist es, Produkte und Waren bereits in Webshops mit personalisierten Vorschlägen anzubieten. Die Digitalisierung hat zu dieser Anforderung geführt und ermöglicht zugleich die Lösung für ERP-Anbieter und Shop-Betreiber, indem gute Systemintegrationen geschaffen werden.

Vertrieb und Verkauf als Motor für Wachstum

Um Wachstum zu erreichen, lassen sich vereinfacht zwei Stellhebel bewegen. Der eine konzentriert sich darauf, Kosten zu reduzieren, und der andere, die Einnahmen zu erhöhen. Da ein Unternehmen nicht von dem lebt, was es entwickelt, sondern von dem, was es verkauft, braucht es insbesondere den Blick auf die Seite der Einnahmen. Und genau hier kommt dem Vertrieb und Verkauf nach wie vor eine Schlüsselrolle zu. Dabei gibt es fünf wichtige Aspekte:

  1. Enge Betreuung von Bestandskunden
    Ihre Bestandskunden werden immer betreut – falls nicht von Ihnen, dann von Ihrem Mitbewerber. Gerade in wettbewerbsintensiven Märkten ist es heute entscheidend zu wissen, wie sich Kundenbedürfnisse entwickeln. Wachstum heisst, das Geschäft mit bestehenden Kunden abzusichern, auszubauen und parallel dazu neue Kunden zu erobern.
  1. Die Führung im Verkaufsprozess zurückgewinnen
    Immer häufiger treffen Anbieter auf top informierte, gut vorbereitete Kunden, welche aktiv den Kontakt suchen; allerdings nur dort, wo ihr Interesse geweckt wird und die Chance besteht, dass ihre Bedürfnisse erfüllt werden. Kunden sind oft schon mit dem Produkt vertraut und haben klare Vorstellung. Um sich als Verkäufer nicht chancenlos in Preis- und Rabatt-Diskussionen zu verlieren, braucht es Persönlichkeiten, welche im Vertrieb die Führung zurückerobern.
  1. Vorbereitung auf Persönlichkeiten
    Menschen kaufen von Menschen – auch in der digitalen Welt. Gerade, weil vieles anonym über automatisierte Prozesse und online bereitsteht, sollte jeder persönliche Kontakt gewinnbringend genutzt werden. Das gelingt, in dem ich mich für ein anstehendes Gespräch auch mit den Hintergründen zu den handelnden Personen versorge. Im Vertrieb und Verkauf braucht es heute Menschen, die sich aufrichtig für das Gegenüber mit seiner persönlichen Ausgangslage und seinen Wachstumsfragen interessieren.
  1. Perfekte Zusammenarbeit von Marketing, Vertrieb und Delivery
    Um neue Lösungen, Produkte oder Services erfolgreich zu positionieren, braucht es ein orchestriertes Marketing in Verbindung mit einem Vertrieb, welcher die Herausforderung des Marktes liebt. Beides ist allerdings nicht viel wert, wenn die Prozesse nach dem Kauf nicht funktionieren. Deshalb ist eine enge Abstimmung, in B2B-Verkaufsprozessen am besten bereits während der Akquise mit der Delivery gefordert.
  1. Andere Ergebnisse fordern ein anderes Verhalten
    Wer andere Ergebnisse wünscht, braucht ein anderes Verhalten. Das Problem ist nur, dass in vielen Fällen das Verhalten nicht angepasst wird. Um das zu erreichen, greifen Unternehmen regelmässig zu klassischen Verkaufstrainings oder Vertriebsschulungen, die allerdings in der Regel nichts verändern. Das liegt daran, dass Wachstum erst dann stattfindet, wenn sich Ansichten und Einstellungen ändern.

Fazit

Die fortschreitende Digitalisierung, der Einsatz von Standards wie EDIFACT sowie die Umsetzung von ZUGFeRD tragen zum einen zu einer technischen Entwicklung bei und zum anderen sorgen sie massgeblich dafür, dass Menschen mittelfristig befreit werden von stupiden Routinetätigkeiten. Wenn Menschen der Raum und die Zeit gegeben werden, sich und das Umfeld aktiv zu reflektieren, dann entstehen neue Ideen und Lösungen, die über IT und das eigene Unternehmen hinaus auch gesellschaftlich von grosser Bedeutung sind. Und erst dann kommen wir zurück zu einem gesunden, nachhaltigen und menschenorientierten Wachstum.

Oliver Wegner ist WachstumsspezialistOliver Wegner ist Gründer und CEO der evolutionplan AG. Als Initiator von Wachstumsprogrammen verhilft er mit seinem Team seit mehr als 20 Jahren nationalen und internationalen Unternehmen mit frischen Impulsen und handfesten Konzepten zu Wachstum. Ein wesentlicher Arbeitsschwerpunkt besteht im Sichtbarmachen von Ursachen und Wirkungen.

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