Circular Economy im E-Commerce: Langlebige Produkte, langfristige Kundenbeziehungen

17.07.2023
5 Min.
Kreislaufwirtschaft wird im Alltag immer wichtiger, auch im E-Commerce. Durch Strategien wie Produktlebensdauerverlängerung, Weiterverkauf, Regenerierung und Recycling können Unternehmen ihren Ressourcenverbrauch und die Abfallproduktion minimieren. Gleichzeitig bietet der Ansatz zahlreiche Vorteile für Unternehmen und Konsumierende, wie das Beispiel Resale als Zusatzangebot im E-Commerce aufzeigt.
 

Bild zVg von Loopia

 
Kreislaufwirtschaft ist in verschiedenen Bereichen unseres Alltags ein immer wichtigerer Begriff, sei es im Häuserbau, wo dank Kreislaufwirtschaftsprinzipien recycelte Baumaterialien wie Beton, Glas oder Metall wiederverwendet werden können. Im Nahrungsmittelbereich, wo durch lokale und saisonale Produkte die Lebensmittelverschwendung reduziert werden soll oder in der Verpackungsindustrie, in der vermehrt Mehrwegsysteme zum Einsatz kommen. 
 
Bei all diesen Ansätzen wird das Konzept der Kreislaufwirtschaft, auch bekannt als Circular Economy, zur Minimierung des Ressourcenverbrauch und Abfallproduktion eingesetzt. Im Gegensatz zum linearen Wirtschaftsmodell, bei dem Produkte hergestellt, genutzt und anschliessend entsorgt werden, betont die Kreislaufwirtschaft die Wiederverwendung, Wiederverwertung und Regenerierung von Produkten und Materialien. Ansätze, welche auch in der E-Commerce-Branche wachsende Bedeutung finden. 
 

Die vier Strategien der Kreislaufwirtschaft

Das grundlegende Prinzip der Kreislaufwirtschaft besteht darin, Produkte und Materialien so zu gestalten und zu nutzen, dass sie möglichst lange im Wirtschaftssystem bleiben und ihren Wert behalten. Statt sie am Ende ihres Lebenszyklus wegzuwerfen, werden sie in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt, entweder durch Reparatur, Weitergabe, Aufbereitung oder Rückgewinnung von Rohstoffen. Dies fördert die Langlebigkeit von Produkten und reduziert die Notwendigkeit, immer neue Ressourcen zu gewinnen.
 
In der Kreislaufwirtschaft werden verschiedene Strategien angewendet, um dieses Ziel zu erreichen. Erste Beispiele im E-Commerce Bereich zeigen, dass jede Strategie für Unternehmen prüfungswert ist. Die erste Strategie ist die Verlängerung der Produktlebensdauer durch die Gestaltung und Herstellung reparierfähiger Produkte. Dadurch wird ihre Nutzungsdauer verlängert und Abfall verringert. 
 
Einen Schritt in diese Richtung hat der Schweizer Computerzubehör-Hersteller Logitech angekündigt. Seit Sommer 2023 bietet er Ersatzteile für PC-Zubehör sowie passende Reparaturanleitungen zum Verkauf an. Eine weitere Strategie ist der Weiterverkauf, die Weitergabe oder die Ausleihe von gebrauchten Produkten. Dies reduziert den Abfall und fördert den Austausch sowie die gemeinsame Nutzung von Ressourcen. Als bekannteste Schweizer Mietplattform bietet beispielweise Sharely seit 2014 Privatpersonen und Händler die Möglichkeit an, ihre Produkte tagesweise zu vermieten. 
 
Als dritte Strategie zählt das Recycling und die Weiterverwertung von Produkten, wodurch der Bedarf an Primärrohstoffen reduziert wird. Das Zürcher Start-up Attached verwertet Schweizer Sonnenstoren wieder und bietet in ihrem E-Commerce Shop upcycelte Taschen an. 
 
Als vierte Strategie gelten die Regenerierung und der Schutz von natürlichen Systemen. Dies beinhaltet die Förderung nachhaltiger Landwirtschaftspraktiken, den Schutz von Wasserressourcen und die Erhaltung der Biodiversität. Dies fördert bspw. der Online-Hofladen Farmy mit seinem Lebensmittelshop, über den mehrheitlich saisonale und biologische Produkte von Schweizer Produzierende bezogen werden können. 
 
Die Beispiele zeigen, dass es in der E-Commerce-Branche entlang der gesamten Lieferkette zahlreiche Möglichkeiten gibt, das Konzept der Kreislaufwirtschaft einzubringen und einen nachhaltigen Ansatz zu verfolgen.
 

Resale als digitale Geschäftslösung mit Zukunft

Ein Kreislaufwirtschafts-Ansatz der bereits seit längerem genutzt und gefragt ist, ist der Secondhand-Markt. Dieser Markt ist in der Schweiz sehr lebhaft und vielfältig. Bereits nutzen 69 Prozent der Bevölkerung Online-Secondhand-Marktplätze für den Kauf und Verkauf von Kleidung, Möbel, Elektronik und weiteren Artikeln. Insgesamt gehen fünf bis sechs Prozent aller neugekauften Produkte auf den Secondhand-Markt, ein Angebot, das jährlich um elf Prozent weitersteigen wird. 
 
Zu den bekanntesten Plattformen gehören die Marktplätze Ricardo und Tutti, welche es Privatpersonen wie auch Händler ermöglichen, ihre gebrauchten Gegenstände anzubieten. Neben diesen grossen Plattformen gibt es auch spezialisierte Websites für bestimmte Kategorien wie Kleidung oder Möbel. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Online-Gruppen und Foren auf sozialen Medien, in denen primär Privatpersonen ihre gebrauchten Artikel zum Verkauf anbieten können.
 
Resale bietet auch für E-Commerce-Unternehmen, welche Neuware verkaufen, interessante Möglichkeiten den Schritt in die Kreislaufwirtschaft zu machen oder ihr Angebot zu verbreiten. Über bestehende Marktplätze können gebrauchte Waren aus Retouren, Überbeständen oder Ausstellungen verkauft werden und dadurch der Umsatz gesteigert und die Abfallmenge reduziert werden. 
 
Einige Unternehmen setzen jedoch bereits auf die Möglichkeit, ihrer Kundschaft eigene Secondhand-Plattformen anzubieten, wie bspw. Digitec Galaxus. Das Unternehmen ermöglicht ihrer Kundschaft eine einfache Weiterverkaufsmöglichkeit ihrer Artikel direkt über das MyAccount-Portal. Ein weiterer Anbieter ist das Möbelgeschäft IKEA, welches Möbel aus zweiter Hand und Ausstellungsstücke wiederverkauft. Dies sind nur zwei Beispiele aus einer Vielfallt an Resale-Cases, welche E-Commerce-Unternehmen für ihre Produkte einsetzen können. 
 

Verschiedene Optionen für Resale im E-Commerce

Eine Variante ist der Einsatz sogenannter Takeback-Aktionen. Dabei können interessante Produkte wie bspw. PCs von der Kundschaft zurückgekauft, aufbereitet und weiterverkauft werden. Traditionsfirmen wie Levi’s setzen bereits auf solche Angebote bei ihren Jeans und arbeiten mit Takeback- und Refurbishment-Programmen. So können Jeans, welche nicht mehr in Gebrauch sind, wieder aufbereitet und weiterverkauft werden. 
 
Weiter können E-Commerce-Unternehmen ihrer Kundschaft die Möglichkeit bieten, Produkte untereinander weiterzugeben oder auszuleihen, indem sie einen Peer-to-Peer-Marktplatz über ihren Online-Auftritt einrichten. Durch Integrationen mit dem myAccount können Produkte einfach auf die Secondhand-Plattform transferiert werden. Diese Weitergabemöglichkeit fördert den nachhaltigen Umgang mit Produkten und bietet eine kostengünstige Alternative zum Neukauf. Zusätzlich können Unternehmen zweimal am Produkt verdienen und erhöhen so ihre Nettomarge. Als dritte Variante können gebrauchte Waren aus Rücksendungen, Overstock oder Ausstellungen auf einer extra Secondhand-Plattform eine interessierte Käuferschaft finden und dadurch weiterziehen.
 
Die Implementierung von Kreislaufwirtschaftsdienstleistungen bietet nicht nur ökologische Vorteile, sondern auch geschäftliche. Durch den Fokus auf die Endkundschaft und die Integration von nachhaltigen Praktiken in den gesamten Verkaufsprozess können langfristige Kundenbeziehungen aufgebaut werden. Die bestehende, wie auch eine neue Käuferschaft schätzen die Möglichkeit, Produkte zu reparieren, weiterzugeben, auszuleihen oder secondhand zu kaufen. Diese Angebote erhöhen die Kundenzufriedenheit, fördern die Kundenbindung und tragen zur Schaffung einer positiven User Journey bei. 
 
Gerade die Resale-Option ermöglicht es E-Commerce-Unternehmen, zweimal an einem Produkt zu verdienen und steigert den Product Lifetime Value. Indem sie ihrer Kundschaft verschiedene Möglichkeiten bieten, Produkte zu erwerben, sei es durch Erst- oder Secondhand-Käufe, erweitern Unternehmen ihr Produktangebot und erreichen eine grössere Zielgruppe. Ausserdem können Marken die Möglichkeit nutzen, ihre eigenen gebrauchten Produkte zu verkaufen und so das Markenbewusstsein zu stärken. 
 

Fazit

Die Implementierung von Kreislaufwirtschaftspraktiken eröffnet E-Commerce-Unternehmen die Chance, ihrer Kundschaft einen Mehrwert zu bieten und sich als nachhaltige und verantwortungsbewusste Unternehmen zu positionieren.
 
Indem E-Commerce-Unternehmen die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft in ihr Angebot integrieren, können sie nicht nur ihre ökologischen Auswirkungen minimieren, sondern auch wirtschaftliche Vorteile erzielen und gleichzeitig den Bedürfnissen und Wünschen ihrer Kundschaft gerecht werden. Die Kombination von Nachhaltigkeit, attraktiven Angeboten und einer positiven User Journey schafft eine Win-Win-Situation für E-Commerce-Unternehmen und Konsumierende. Gemeinsam können wir eine nachhaltigere Zukunft gestalten und den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft im E-Commerce vorantreiben.
 
 
 

Die Autorin

 
Cristiana Grossenbacher ist Mitgründerin des Zürcher Circular-Economy-Unternehmens Loopia. Loopia unterstützt E-Commerce-Unternehmen. den Schritt in die Kreislaufwirtschaft zu machen, indem diese mit einer Out-of-the-box Plattform ins Resale-Geschäft einsteigen können. Dafür können verschiedene Module wie Peer-to-peer, Takeback oder der Direktverkauf von Ausstellmodellen und Retouren eingesetzt werden. 
 
 
Der Artikel entstand in Zusammenarbeit mit Swonet. 
 
 
 
 

Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 23-2

 

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