Communitybuilding im Content Marketing: Gründe, Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren

31.08.2023
5 Min.
Technologische Innovationen wie beispielsweise Large Language Models (ChatGPT) können zu tektonischen Veränderungen in den Marketing- und Vertriebsprozessen führen. Wie können Marken eine Resilienz dagegen aufbauen? Eine Antwort auf diese Frage ist Communitybuilding. Dieser Artikel zeigt die Gründe, Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren auf. 
 
 
Die künstliche Intelligenz hat ihren «iPhone-Moment» erlebt, als ChatGPT im November 2022 ins Rampenlicht trat. Die Nutzerzahlen steigen, wie bei keiner anderen Plattform zuvor. Ab März 2023 hat Microsoft die KI-Katze aus dem Sack gelassen: GPT wird in die Bing-Suchmaschine, in Microsoft 365 und in Windows 11 integriert werden.
 
Das hat bei Google mächtige Wellen geschlagen. Zackig folgte die Ankündigung der KI «BARD». Was auffällt: in den Live-Events spielten organische Suchresultate und SEO eine verdächtig untergeordnete Rolle. BARD liefert die gesuchte Information direkt aus. Und nicht wie bisher den Ort, an welchem die Information zu finden ist.
 
Das zeigt schmerzhaft auf: Die Suchmaschinenoptimierung (SEO) kann als Content-Marketing-Disziplin plötzlich ihre Schlagkraft verlieren. Die Einflussfaktoren liegen ausserhalb unserer Reichweite, wir sind Google & Co. «ausgeliefert».
 

Communitybuilding macht widerstandsfähig

Communitybuilding etabliert feste Kommunikationskanäle zu einer thematisch fokussierten Zielgruppe. Eine Marke oder ein Unternehmen pflegt und hostet die Community und baut bei den Mitgliedern eine positive Reputation auf. Es festigt sich das gewünschte Image. Die Einflussfaktoren für die Beziehung zu dieser Community befinden sich im eigenen Kontrollbereich; die Organisation «besitzt» die E-Mail-Adressen und die Opt-ins der Mitglieder. Es besteht (fast) keine Abhängigkeit von einer Drittanbieterin wie Google oder Meta, welche die Spielregeln jederzeit ändern kann.
 
Content Marketers, springt mir jetzt bitte nicht an die Gurgel, aber: Eine solche Community ist monetarisierbar. Denn sind die unten beschriebenen Erfolgsfaktoren gegeben, bauen die Community-Mitglieder eine Vertrauensvermutung gegenüber der Marke auf. Kaufentscheide fallen viel leichter.
 

Communitybuilding ist Raketentreibstoff für das Content Marketing

Um meinen Lieblingsgrund zu illustrieren, welcher für Communitybuilding spricht, nehme ich das Beispiel der M365 & SharePoint Community der IOZ AG zur Hand: Viermal jährlich findet dieses User-Meetup statt. Es werden pro Anlass drei oder vier Referate gezeigt. Die Speaker sind IOZ-interne Leute, ein Referat wird aber immer von einer externen Person gehalten, im Idealfall von einer Kundin oder einem Kunden. 
 
Diese Community-Treffen sind wahre Content-Goldadern, welche mittels Content-Repurposing ausgeschöpft werden können:
  • Jedes Referat gibt mindestens ein YouTube-Video her
  • Aus dem Kundenreferat wird eine Referenz mit Testimonial
  • Die Slides aus den Referaten können zu Downloads aufbereitet werden
  • Die Grafiken aus den Slides können zu Infografiken geupcycled werden
  • Jedes Referat gibt einen eigenen Blogpost her
  • Bestehende Blogposts können erweitert und aktualisiert werden
  • Social Media Posts à gogo
 
Die geleistete Vorarbeit der Referenten entfaltet ihre Wirkung nicht nur im Live-Erlebnis des jeweiligen Referates, sie kann auch mehrfach für das Content Marketing weitergenutzt werden.
 

Strategische Verankerung, Aufrichtigkeit und Kultur als Voraussetzungen

Die erste Voraussetzung ist die strategische Verankerung der Community-Aktivität. Sie sorgt dafür, dass die nötigen Prozesse implementiert werden können und alle Beteiligten am gleichen Strang ziehen. Communitybuilding ist ein grosses Investment für eine Organisation, es kann nicht als ein Nebeninstrument im Marketing und Verkauf genutzt werden.
 
Die zweite Voraussetzung ist Aufrichtigkeit. Das Verkaufen darf in keinem Falle die Kernmotivation sein. Im Fokus muss zwingend der Nutzen für die Community-Mitglieder stehen – wie im ganzen Content Marketing üblich. Riecht die Aktivität auch nur ein bisschen nach Verkauf, rümpft das Publikum sofort die Nase und taucht beim nächsten Mal nicht mehr auf. Der Verkauf passiert als Nebeneffekt über die oben beschriebene Vertrauensvermutung. 
 
Als dritte Voraussetzung muss eine offene Wissenskultur im Unternehmen gelebt werden. Denn ohne hat nicht nur Communitybuilding kaum eine Chance, das Content Marketing als Ganzes ist in Gefahr. In einer Wissenskultur wird Know-how gerne geteilt, anstatt dass das eigene Gärtchen verteidigt wird. 
 
Ich weiss aus eigener Erfahrung, was Marketern blüht, wenn dieses Element fehlt: Grundsatzdiskussionen über den Zweck von einzelnen Massnahmen aus dem Content Marketing, Widerstände oder gar Direktkämpfe ohne Rückendeckung aus der Leitung und selbst einfacher Content kommt kaum zustande. 
 
Aufwendiger Content wie lange Live-Webinare haben ohne die offene Wissenskultur keine Chance.
 

Kontinuität, Qualität und Unabhängigkeit als Erfolgsfaktoren

Kontinuität ist der wichtigste Erfolgsfaktor. Es muss eine regelmässiger Content-Rhythmus geschaffen werden, woran sich die Community orientieren kann. Diesen Aspekt kennen wir alle von YouTube. Bereits im Headerbild machen viele Kanäle klar, an welchem Wochentag das nächste Video kommt. Die Einhaltung wird erwartet. Ganz im Kontrast beispielsweise zum Corporate Newsletter. 
 
Dann folgt selbstverständlich die Qualität. Damit das Community-Publikum auch tatsächlich profitiert, muss der Inhalt relevant sein und einen hohen Informationsgehalt haben. «Fleisch am Knochen» eben. Aber auch die unterstützenden Prozesse, wie etwa das Einladungs- und Teilnehmermanagement, müssen eine hohe Qualität aufweisen. Die vorgebrachte Qualität hat massgeblichen Einfluss auf das Image, welches in den Köpfen der Community entsteht. 
 
Und zuletzt kann die Unabhängigkeit genannt werden. Alle grossen Onlineplattformen können jederzeit die Regeln ändern und den Zugang zur jeweiligen Community entziehen. Darum: Die härteste Währung im Communitybuilding sind ein CRM voller E-Mail-Adressen mit wohlwollend gewährtem Opt-In. Nur dann ist der Zugang zur mit harter Arbeit aufgebauten Community sicher.
 

Praxisbeispiel: Die «M365 & SharePoint Community» von IOZ

Die Anfänge waren bescheiden: 2007 fand das erste Treffen statt und es waren vier Leute anwesend. Das Ziel war es, sich mit Gleichgesinnten in der Region zusammen zu setzen und das Wissen zum Thema SharePoint zu bündeln. An Communitybuilding dachte niemand von den Involvierten. Schnell zeigte sich, dass der Austausch fruchtbar ist, und es wurden Folgetreffen durchgeführt. Im Juni 2023 findet die 70. Ausgabe der M365 & SharePoint Community statt. In diesen 16 Jahren ist die «Community», wie sie IOZ-intern genannt wird, Teil der Unternehmens-DNA geworden. Die vier jährlichen Durchführungsdaten sind Fixpunkte im Kalender und vom CEO bis zum Projektleiter springen alle regelmässig in die Rolle von Fachreferenten und -referentinnen. 
 
Als Marketingleiter stelle ich zusammen mit den Teamleitern die Organisation sicher, meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachteams bereiten die Inhalte vor und halten die Präsentationen ab. Pro Quartal investiere ich 50 – 80 Stunden in die Organisation, pro Referat wenden unsere Leute rund 20 Stunden auf.
 
In einem der jeweils drei bis vier Referate muss eine externe Fachperson eingebunden werden. In aller Regel beziehen wir Speaker eines Kundenunternehmens ein. Dabei achten wir auch hier auf die Aufrichtigkeit und lassen auch kritische Inhalte zu. 
 
Vor der Pandemie nahmen jeweils ca. 30 bis 60, vereinzelt auch bis zu 100 Personen an den Anlässen Teil. Gezwungenermassen wurden die Anlässe anschliessend in rein digitaler Form durchgeführt. Die Teilnehmerzahlen stiegen auf 140 bis 180, vereinzelt auch über 200 Personen. Vorsichtige Tests mit hybriden Eventformaten im Sommer 2022 lieferten enttäuschende Ergebnisse. Die anstehende Jubiläumsausgabe findet ausschliesslich vor Ort statt und hat erfreulicherweise über 100 Anmeldungen generiert. 
 

Wer nichts wagt, auch nichts gewinnt

Das ist ein Aufruf zur Tat. Ich ermutige euch, mit dem Skizzieren eurer eigenen Communitys zu starten. Überlegt euch die Inhalte, die Form, die Rhythmik und die Kanäle. Nur schon diese konzeptionelle Denkarbeit ist fruchtbar und gewinnbringend - weil Communitybuilding die mächtigste Disziplin im Content Marketing ist. 
 
 

 

Der Autor

 
Marco Peter ist Marketingleiter bei der IOZ AG in Sursee und freischaffender Content Marketer im Nebenberuf. Digital Marketing ist seine Passion, insbesondere das Schreiben. Beruflich wie auch privat handelt er nach einer Devise: «Kein Content ist keine Option». 

 

 
 

Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 23-2

 

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