Die Zukunft des ERP im Zeitalter des Digital Business

20.08.2018
4 Min.
Welche Anforderungen müssen ERP-Systeme in Zukunft bewältigen? Wie beurteilt dynasoft ihre Rolle im digitalen Business? Was sind die Treiber bei der Entwicklung neuer Systeme?


Simon Lüdi, CEO der dynasoft AG im topsoft Interview.

«Das Zeitalter der monolithischen ERP-Systeme geht seinem Ende entgegen, nicht zuletzt infolge der Entwicklung von Industrie 4.0 Konzepten. Die Zukunft gehört der ERP-Engine.» Simon Lüdi, dynasoft AG.

 

topsoft: Herr Lüdi, werden ERP-Systeme als zentraler Hub im Unternehmen künftig eine noch grössere Rolle spielen? Und verändert sich der Schwerpunkt solcher Applikationen dabei von der reinen Ressourcenverwaltung zunehmend in Richtung Integrations-Drehscheibe? 

Simon Lüdi: Ja, der Trend geht ganz klar in diese Richtung. ERP-Systeme repräsentieren immer mehr das virtuelle Erscheinungsbild eines Unternehmens. Damit lässt sich nicht nur die Wertschöpfungskette abbilden, sondern auch verschiedene Unternehmen untereinander vernetzen. Im ERP als «Single Point of Contact» laufen alle Fäden bzw. Prozesse zusammen. 

 

Glauben Sie also, dass sich das ERP vom digitalen Rückgrat zum wahren Superhirn des Unternehmens entwickelt? Oder eher, dass es in Richtung eines reinen Systems zur Datenhaltung und -verteilung geht? Dass dann die einzelnen Funktionen dann viel mehr durch spezialisierte Dienste angeboten werden? 

Sowohl als auch. Die Kunden verlangen nach systemübergreifenden Anwendungsmöglichkeiten, welche sich durch einzelne abteilungsspezifische Applikationsdienste frei zusammenstellen lassen sollten. Idealerweise tritt der «ERP-Motor» für die Benutzer dabei gar nicht in Erscheinung. Die Daten sollten lediglich über geeignete Dienste oder Apps in der gewünschten Form den unterschiedlichen Anwendern eines Unternehmens zur Verfügung gestellt werden. 

 

Entspricht Ihre Sicht ungefähr der These, dass das ERP als monolithisches, alles beherrschendes System in Grunde ausgedient hat? 

Das Zeitalter der monolithischen ERP-Systeme geht definitiv seinem Ende entgegen, nicht zuletzt infolge der Entwicklung von Industrie 4.0 Konzepten. Die Zukunft gehört der ERP-Engine. Aber eine ERP-Software wird es noch lange geben, allerdings muss diese sich in absehbarer Zeit neuen Lösungsansätzen öffnen. 

 

Das von Ihnen genannte Schlagwort Industrie 4.0 wirft auch ein Schlaglicht auf komplett neue Geschäftsmodelle à la UBER. Glauben Sie, dass die ERP-Systeme diese Entwicklung, also die sogenannte Digitale Revolution, überleben werden? 

Die heutigen ERP-Systeme sind gut positioniert, um im Industrie 4.0 Umfeld ihre Rolle als Plattform für Daten und Prozesse wahrzunehmen. Dabei geht es aber nicht darum, alle Funktionen ins ERP zu packen. Ziel ist es nicht, eine Lösung aus einer Hand für alles zu realisieren. Vielmehr zeichnet sich Industrie 4.0 taugliche Software durch eine hohe Konnektivität zu Drittsystemen aus. 

 

Wollen Sie damit sagen, dass die Grenzen zwischen ERP und Drittsystemen, Apps und Anwendungen beim Industrie 4.0-Thema immer mehr verschwimmen? 

Das Thema Industrie 4.0 ist zwar vielschichtig, trotzdem beruht es auf bekannten Businessprozessen. Um diese Entwicklung digital zu unterstützen, braucht es auch weiterhin die Unterstützung von ERP-Anwendungen. Vielleicht werden die Systeme nicht mehr im Vordergrund stehen, aber der funktionale Bedarf bleibt. Was dafür allerdings dringend nötig ist, sind weltweit gültige Datenstandards. Nur so können die ERP-Systeme ohne Probleme an alle verschiedenen Anwendungen angeknüpft werden und die Rolle als Integrator übernehmen. 

 

Ein weltweiter Standard? Sehen Sie dafür wirklich eine Chance? 

Standardisierungen haben es schwer, das weiss ich aus Erfahrung. Aber wer weiss: Ein Ansatz wie bei der Blockchain-Technologie könnte vieles ändern. Und vielleicht kommt der entscheidende Kick aus einer heute noch unbekannten Ecke. Lassen wir uns dahingehend überraschen. 

 

Glauben Sie, dass sich die ERP Software auf Grund dieser Entwicklung überhaupt noch stark weiterentwickeln wird? Oder sollten sich Anbieter wie dynasoft nicht langsam eher auf die von Ihnen genannten Funktionen konzentrieren statt auf das ERP an sich? 

Heute können Anwender auf sehr reife ERP-Systeme zurückgreifen, mit denen sich bereits jetzt auch völlig neue Geschäftsideen realisieren lassen. So beurteile ich persönlich den aktuellen ERP-Markt. Aber ja, ich kann mir vorstellen, dass auch die dynasoft hier neue Wege geht, weg vom reinen ERP in Richtung von Funktionen und Diensten, welche von den Kunden gewünscht und auch bezahlt werden. 

 

Neue Wege klingt spannend. Haben Sie uns da ein Beispiel? 

Sicher: Bei dynasoft können Kunden z.B. auf Wunsch und bei Bedarf sogar von echten Outsourcing-Leistungen profitieren.

 

Outsourcing? Wirklich? Sie stellen also nicht nur das System zur Verfügung, sondern bedienen es auch gleich noch selbst? 

Ja, in gewissen Fällen schon. Das Problem bei solchen Services ist jedoch, dass man sich ressourcenmässig schnell verzetteln kann. Es ist ja definitiv nicht das Kerngeschäft des Softwareanbieters, die Lösung gleich noch selber zu betreiben. Aber es bietet auch eine gewisse Planungssicherheit. Vorerst werden dies auf jeden Fall Ausnahmen bleiben, aber wer weiss, wohin der Weg uns noch führt.

 

Der Weg in die Zukunft ist ein gutes Stichwort: Die Digitalisierung schreitet ja schnell voran, ein Generationenwechsel steht bevor. Immer mehr Software-Firmen greifen bei der Rekrutierung von Nachwuchs deshalb auf Leute aus der Spielewelt und andere Digital Natives zurück. Diese haben einen ganz anderen Bezug zu Hard- und Software. Wie sehen Sie das bei dynasoft? 

Die Suche nach Nachwuchskräften hat auch bei uns hohe Priorität. Dabei stelle ich immer wieder fest, dass sich auch die Art, Software zu entwickeln, im Vergleich zu früher gewaltig geändert hat. Der Hang zum Perfektionismus ist einem Streben nach Flexibilität und Agilität gewichen. Time-to-market ist entscheidend und Iterationsintervalle werden immer kürzer. Umdenken und neue Sichtweisen bei der Softwareentwicklung sind wirklich zwingend notwendig.

 

Wie meinen Sie das?

Die neue Generation ist viel fehlertoleranter, es folgt ja eh bald schon ein neuer Release und das alte System ist Geschichte. Die Jungen legen aber gleichzeitig mehr Wert auf die Oberfläche, das Design und die Anwendbarkeit der Systeme. Die Benutzerfreundlichkeit steht im Mittelpunkt. Und da sind wir mit unserer Lösung bereits jetzt sehr gut aufgestellt – und arbeiten weiter daran.

 

Herr Lüdi, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch.

 

Interview: Christian Bühlmann und Alain Zanolari, Redaktion topsoft Fachmagazin