Integration von Marketing Automation und Service Cloud im KMU-Sektor

15.04.2024
5 Min.

In einer digital transformierten Geschäftswelt, in der personalisierte Kundenansprache und effiziente Marketingprozesse essenziell für den Unternehmenserfolg sind, stellen Marketing Automation (MA) und die Nutzung einer Service Cloud Schlüsseltechnologien dar. Dieser Artikel erörtert, wie die Integration dieser Technologien in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der Schweiz zu einer ganzheitlichen Customer Experience (CEX) beitragen kann.

 

(Symbolbild generiert mit AdobeFirefly)

 

In der heutigen kompetitiven B2B-Landschaft ist es entscheidend, Marketing und Kundenservice nahtlos zu integrieren, um eine konsistente und individuelle Kundenansprache zu gewährleisten. Für KMU in der Schweiz bedeutet dies, die traditionelle Marketing Automation zu überdenken und in eine umfassende Customer Experience einzubetten. Diesen Sachverhalt untersucht die Studie «CEX Trendradar 2024» von Prof. Dr. Nils Hafner von der Hochschule Luzern und dem deutschen Berater Harald Henn vom Marketing Resultant. 

 

Die Evolution der Marketing Automation

Traditionell fokussierte Marketing Automation auf die Automatisierung linearer Marketingkampagnen. Die moderne Auffassung erweitert diese Perspektive, indem sie regelbasierte, automatisierte Dialoge über verschiedene Touchpoints in allen Bereichen der Kundenwertschöpfungskette hinweg unterstützt – ein Paradigmenwechsel vom Monolog zum Dialog. Das umfasst aber neben dem klassischen Marketing (vor dem Kauf) auch die Erlebnisse der Kunden während des Kaufs und vor allem im After-Sales-Service (nach dem Kauf, zur Vorbereitung von Wiederkäufen oder Empfehlungen).

Für Customer Experience Konzepte haben Marketing Automation Systeme deshalb eine grosse Bedeutung, weil jeder Interessent oder Kunde personalisiert und individuell in Echtzeit angesprochen werden kann. Diese individuelle Ansprache, das Einbeziehen spezieller Affinitäten und die Berücksichtigung des Kontextes, aus dem der Kunde gerade agiert, sind Grundanforderungen von Customer Experience Konzepten. Ein Abschied also von der «Giesskannen-Strategie», die sich mehr in Richtung One-to-One bewegt.

Ein wesentlicher Aspekt aus unserer Sicht ist die Möglichkeit, mit diesen Systemen Dialoge zwischen Kunde und Unternehmen zu gestalten. Auf die Reaktion des Kunden – beziehungsweise auch Nichtreaktion – kann das Marketing Automation System wiederum mit neuen, individualisierten Ansprachen reagieren.

Die festgelegten Regeln laufen für die Anwender in den Fachabteilungen dann unsichtbar im Hintergrund ab. Hier kann also detailliert festgelegt werden, wann bspw. eine Einladung zu einer Messe gesendet werden oder wie auf einen höheren Verschleiss einer Maschine beim Kunden reagiert werden sollte, der über Sensoren an den Hersteller übermittelt wurde. Je nachdem, ob der Kunde reagiert oder nicht reagiert, können Folgeschritte ausgelöst werden, bspw. eine Erinnerung, Anreize zur Teilnahme gesetzt werden oder gar Ersatzteile für die beanspruchte Maschine automatisch geordert werden. 

 

Technologische Anbindung ist wesentlich!

Um Customer Experience Ziele – also eine individuelle, kontextbezogene Ansprache – zu erreichen, ist die Anbindung an mehrere Systeme notwendig, wie beispielsweise an eine Customer Data Platform, das CRM-System oder die Kunden- oder Vertriebsdatenbank. Ebenso ist eine Kopplung mit den Touchpoints notwendig, über die der Content ausgespielt werden soll.

Auf der anderen Seite ist die Integration des Feedbacks der Kunden wichtig, um Ergebnisse der Kampagnen an den Touchpoints und Dialogstrecken messen zu können. So kann eine Zufriedenheits- oder NPS-Messung über solche Systeme automatisch ausgelöst werden. Auch sollte das Content-Management System so angebunden werden, dass Marketing- und Vertriebsinhalte (auch als «Assets» bezeichnet) wie Bilder, Texte, Videos, Produkt- oder Prozessinformationen für den Kunden leicht zu integrieren sind.

Ein sehr gutes Beispiel dafür ist die Integration bei CANCOM, einem führenden Hybrid IT Service Provider mit 5600 Mit- arbeitenden. Das Unternehmen meistert die Komplexität seines breiten B2B IT-Lösungsangebots durch Seismic's Sales Enablement Plattform. Diese Lösung harmonisiert die Bereitstellung von Vertriebsinhalten, ermöglicht die systematische Vorgehensweise im Vertrieb und unterstützt den Verkaufsprozess durch aktuelle, relevante Inhalte. Die Einbindung in Salesforce und die Darstellung in MS-Teams und MS-Outlook erleichtern den Zugriff und das Feedback zu Materialien. Dies steigert die Effizienz und fördert die Zusammenarbeit zwischen Marketing und Sales, was zu einer verbesserten Customer Journey führt. CANCOM erlebt durch Seismic eine Transformation, die Vertriebsmitarbeitenden befähigt, ein breiteres Produktspektrum anzubieten, was zu einer spürbaren Zeitersparnis und höheren Skalierbarkeit im Vertrieb führt. Qualitativ hochwertiger Content hebt CANCOM vom Wettbewerb ab, und die Integration von Generative AI zur Content-Erstellung zeigt einen vielversprechenden Weg für die Zukunft auf. 

 

Aktuelle Entwicklungen und Generative AI

Überhaupt hat die rasante Entwicklung der Generative AI hat das Potenzial von Marketing Automation revolutioniert. Im Jahr 2024 ermöglicht AI eine noch nie dagewesene Individualisierung, während gleichzeitig die Effizienz im Marketing erhöht wird. Erfolgreiche Beispiele, wie die Migros Bank mit dem System von BSI, zeigen, dass die Implementierung lokaler, individuell durch die Berater der Filialen ausgelöster Kampagnen zu höheren Konversionsraten führen kann.

Aber auch 2024 muss man bei der Generierung zielgruppengerechter Texte festhalten: Supervised by Humans. Kaum ein Unternehmen hat die verfügbaren GPTs schon so trainiert, dass sie Wortschatz, Syntax und Grammatik der definierten Zielgruppen zu 100 % kennen und anwenden können. Dementsprechend wird viel experimentiert. Es steigt also vor allem die Effizienz der Mitarbeitenden im Marketing. Es können pro Arbeitszeit wesentlich mehr Text- und Bildvarianten getestet werden und die vielversprechendsten davon in automatisierten Kampagnen beim Kunden eingesetzt werden. Damit steigt die Anzahl der A/B Tests und das Wissen über den Kunden. Dieses muss adäquat dokumentiert werden. Im Jahr 2024 werden Unternehmen lernen, dies zu bewerkstelligen. 

 

CEX-Trendradar 2024 ©️ by Nils Hafner und Harald Henn

 

Relativ einfache Handhabung durch «low code» oder sogar «no code»

Anpassungsmöglichkeiten sorgen in den Fachabteilungen für eine gute Akzeptanz. Personalisierte Ansprachen werden vom Kunden erwartet und geschätzt. Der Anspruch daran steigt also 2024 enorm an. Unternehmen wollen und müssen in Marketing Automation investieren, um den Wirkungsgrad der Marketing-Instrumente zu erhöhen.

Gleichzeitig erhöht sich die Erfahrung im Umgang mit den Systemen, die Identifikation von Kampagnentriggern und die Bibliothek an vordefinierten Kampagnen mit den dazugehörigen Assets. Das Wissen um Erfolgsfaktoren und damit Lerneffekte im Hinblick auf das Kundenverhalten bringt die Kampagnenergebnisse auf ein neues Niveau. Interessant wird es, wenn sich Unternehmen zusammenschliessen, um das Wissen über ihre Kundschaft und die erfolgreichen Ansprache-Methoden auszutauschen. In Anbetracht einer «cookieless future» sicher nicht die schlechteste Idee, um nur schwierig kopierbare Wettbewerbsvorteile im CX aufzubauen. Hafner und Henn prognostizieren daher dem Thema Marketing Automation ein rasantes Wachstum in den nächsten drei Jahren.   

Je mehr Wissen aufgebaut wird, desto feiner wird die Segmentierung. Gerade auch das Wissen, welche Kampagne an welchen Kunden ausgespielt wurde, wird im Kundenservice essenziell. Daher sehen Hafner und Henn die Notwendigkeit für eine stärkeren Nutzung und Einbeziehung von Kundendaten aus Customer Analytics und dem Kundenservice. 

 

Reduktion von Komplexität durch Cloud-Lösungen

Grundlage dafür ist die Service Cloud. Dabei handelt es sich um ein systemintegriertes Werkzeug, das die Bearbeitung und das Management von Kundenanfragen an allen Touchpoints erleichtert. Es dient dazu, Fragen zu Produkten, Lieferstatus oder Problemlösungen zu verwalten.

Trotz seiner Bedeutung für den Customer Service wurde es in den letzten Jahren oft vernachlässigt. Besonders 2022 und 2023 waren schwierige Jahre, in denen der Customer Service unter Budgetkürzungen litt, die häufig zu Personalabbau führten. 

Diese Sparmassnahmen haben sich negativ auf die Kundenbetreuung und die Customer Experience ausgewirkt, was sich gerade bei produzierenden Unternehmen in niedrigen NPS-Werten widerspiegelt.

Unternehmen verstehen selten den Wert von Customer Service als Differenzierungsmerkmal und nutzen ihn nicht für organisatorisches Lernen. Service Cloud kann zwar die Bearbeitungszeiten verkürzen und die Effizienz steigern, aber unterbesetzte Kundendienstzentren und schlechte Prozesse können dadurch nicht ausgeglichen werden. KI-basierte Tools wie Chatbots bieten mittelfristig Hoffnung, aber deren positive Effekte auf den Customer Service werden erst in einigen Jahren vollständig sichtbar sein.

Die wirkliche Herausforderung im Customer Service liegt in der zunehmenden Komplexität, die durch eine Vielzahl von Produkten, Prozessen und digitalen wie auch physischen Touchpoints verursacht wird. Die zentrale Aufgabe der Service Cloud ist es, diese Komplexität zu bündeln und eine effiziente Kommunikation zu ermöglichen. Fortschrittliche Funktionen wie Intent-Erkennung und Wissensmanagement durch KI werden die Mitarbeiter entlasten und ihre Akzeptanz für KI-Technologien erhöhen.

Der Service muss konsistent sein, egal ob er über Telefon, E-Mail, Chat oder im Field Service stattfindet. Die Integration in gängige Kollaborationsplattformen ist daher unerlässlich, um Verzögerungen in der Expertenkommunikation zu vermeiden. Eine einheitliche Service Cloud-Lösung mit einem integrierten Desktop zeigt einen hohen Reifegrad und verbessert die Employee Experience, was sich wiederum positiv auf die Kundenzufriedenheit auswirkt.

 

Wie entwickelt sich der Reifegrad von Service Cloud Lösungen?

Service Cloud entwickelt sich zu einem Standard zunehmend auch bei KMU Unternehmen. Durch KI-Unterstützung, verbesserte Mitarbeiterentlastung und die damit einhergehenden Zeit- und Kostenersparnisse wird es zunehmend zur Norm. Integrationsaufwand und IT-Ressourcen sind die grössten Hindernisse für eine weitere Verbreitung. Composable Architekturen, no-code/low-code Lösungen und vollintegrierte Plattformen versprechen eine Reduzierung des IT-Aufwands. Unternehmen erkennen zunehmend die Notwendigkeit, in Service Cloud zu investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben und nachhaltig den Kundenfokus zu sichern. Bis 2026 wird erwartet, dass Service Cloud in vielen Unternehmen ein Standardniveau erreichen wird. 

 

Ausblick und strategische Empfehlungen

Für KMU in der Schweiz ist es ratsam, in Marketing Automation und Service Cloud zu investieren, um die Customer Experience zu optimieren. Hierbei ist eine schrittweise Implementierung empfehlenswert, die mit Schulungen und dem Aufbau von Kompetenzen einhergeht. Die Zukunft verspricht eine noch stärkere Integration von MA und Service Cloud, wodurch KMU ihre Kundenbindung stärken und sich im Wettbewerb differenzieren können.

 

CEX Trendradar: Ihr Kompass für Kundenmanagement

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Prof. Dr. Nils Hafner und Harald Henn identifizieren 20 Trends in Marketing, Vertrieb und Service. Laden Sie die umfassende Studie mit 110 Seiten kostenlos herunter:

www.cex-trendradar.com

 

Der Autor

Prof. Dr. Nils Hafner ist internationaler Experte zum Aufbau nachhaltig profitabler Kundenbeziehungen. Er arbeitet als Professor an der Hochschule Luzern Wirtschaft. Mit dem renommierten Berater Harald Henn gibt er den «CEX Trendradar» heraus. www.linkedin.com/in/nilshafner

Der Beitrag erschien im topsoft Fachmagazin 24-1

 

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