Open Source Software für KMU – Vorteile, Chancen, Risiken

18.09.2023
6 Min.
Im privaten Bereich wird Open Source Software (OSS) bereits seit Jahren eingesetzt, aber auch in Unternehmen kommt die Technologie immer mehr zum Zuge. Aber wenn es um Business Software geht, sind die Bedenken gross, zum Beispiel hinsichtlich Sicherheit, Kompatibilität oder Support. Doch sind diese berechtigt? Wir haben uns mit vier Fachpersonen über die Vor- und Nachteile von OSS unterhalten.
 
Es gibt viele Vorurteile, wenn es um Open Source Software geht: Sie sei unsicher, man müsse auf Support verzichten, sie sei ungeeignet für kritische Infrastrukturen oder sie sei qualitativ minderwertig sind nur einige davon.
 
Doch nichts davon ist wahr. Im Gegenteil: Gerade, weil so viele Entwicklerinnen ein Auge darauf werfen, ist es schwierig, dort irgendwelche Hintertürchen einzubauen. Fehler werden jeweils rasch entdeckt und korrigiert, die Software wird so stetig weiterentwickelt und ausgebaut.
 

Vier Köpfe, vier Meinungen zu Open Source Software

Um mit diesen Vorurteilen aufzuräumen und die Vorteile von Open Source Software im Business-Bereich aufzuzeigen, haben wir uns mit vier Fachleuten darüber unterhalten. 
 
Und zwar mit:
 
 
Wir geben die Antworten in diesem Artikel nur in Auszügen wieder, die Links zu den kompletten Interviews finden Sie am Schluss.
 
Die erste Frage, die wir in die Runde geworfen haben, war: 
 
Welche Unternehmen setzen Open Source Business Software ein? Gibt es dabei ein Muster? 
Nick Weisser fasst es zusammen, was alle vier geantwortet haben: «Open Source Business Software wird von einer Vielzahl von Unternehmen in unterschiedlichen Branchen eingesetzt.»
 
Warum setzen diese Unternehmen OS Business Software ein? Gibt es dazu bewusste Entscheidungskriterien – ausser Funktionalen?
Henriette Baumann beantwortet die Frage so: «Ja, es gibt durchaus bewusste Entscheidungskriterien. Kosten können eine Rolle spielen, da viele Open-Source-Systeme lizenkostenfrei einsetzbar sind. Natürlich ist auch die Anpassbarkeit und Erweiterbarkeit von Open Source Business Software ein Kriterium.»
 
Für welche Unternehmensgrössen eignet sich ein Open-Source-ERP? Gibt es beispielsweise Grenzen gegen oben oder unten?
Patrick Belser meint dazu: «Es eignet sich für alle Grössen, es gibt weder gegen unten noch oben Einschränkungen. Die Open Source Business Suite Odoo ist jedoch besonders für kleine Unternehmen äusserst attraktiv, da für einen im Vergleich geringen monatlichen Betrag ein grosser Funktionsumfang zur Verfügung steht.»
 
Und Henriette Baumann ergänzt: «Das hängt wie bei allen ERP-Systemen von der Funktionalität des jeweiligen ERP-Systems ab. Es gibt Open-Source-ERP-Systeme, die auf KMU ausgerichtet sind und sich infolgedessen nicht für grosse Unternehmen eignen. Gleichwohl gibt es Open-Source-ERP-Systeme, die in Grossunternehmen im Einsatz sind mit Tausenden von Nutzern.»
 
Auf was sollten KMU Anwender achten, wenn sie sich für eine Open Source Business Software Lösung interessieren? Was gilt es zu beachten? 
Patrick Belser erklärt: «Die Implementierung einer Business Software ist nicht in erster Linie ein IT-Projekt, sondern ein Projekt zwischen Menschen! Es werden sehr viele Interaktionen notwendig sein, es werden Probleme auftauchen, die miteinander gelöst werden müssen. Aus diesem Grund ist der Implementierungspartner ein wichtiger Aspekt.»
 
Nick Weisser meint: «Es sollten nicht nur die initialen Kosten berücksichtigt werden, sondern auch die Kosten für regelmässige Updates.» Und Stefan Vogel fasst sich ebenfalls kurz: «Das ist nicht anders als bei normaler Software. Man geht vom Bedarf aus und schaut dann, welche Software gut passt.»
 
Kann ich Open-Source-Software in meine bestehende IT-Infrastruktur integrieren? Und kann ich spezialisierte Drittsysteme problemlos an ein Open-Source-ERP anschliessen?
Henriette Baumann antwortet: «Ja, da Open-Source-Systeme naturgemäss «open» sind, d.h. es existieren offene Schnittstellen und Datenbankzugänge. Das Problem bei Integrationen und Anbindungen sind im Regelfall nicht die Open-Source-Software-Systeme, sondern die geschlossenen «Closed-Source»-Systeme.»
 
Nick Weisser ergänzt: «Shop-Systeme bieten umfangreiche Programmierschnittstellen an, der Aufwand für individuelle Anbindungen sollte aber nicht unterschätzt werden. Für mache ERP-Systeme gibt es allerdings bereits Standardschnittstellen zu Open Source Shop-Systemen, die im Optimalfall nur noch geringfügig angepasst werden müssen.»
 
 
Wie wird Open Source Software weiterentwickelt oder angepasst? 
Patrick Belser erklärt: «In vielen Fällen wird Open Source Software von einer weltweiten Community an Entwicklern weiterentwickelt. Es gibt aber auch viele Beispiele für Software, die auf einem Open Source Framework aufbaut, das von einem gewinnorientierten Unternehmen entwickelt und supported wird (z. B. das ERP Odoo). Dies ermöglicht es dann der Community, fehlende Funktionen selbst zu entwickeln und so die Kernfunktionen der Enterprise-Version zu erweitern.»
 
Nick Weisser meint dazu: «Auf Plattformen wie Github oder Gitlab können Entwicklerinnen und Entwickler Erweiterungen und Fehlerbehebungen am Kern einer OS Business Software vorschlagen. Zudem gibt es oft Marktplätze mit Zusatzmodulen von Drittanbietern, welche es einfach machen, Funktionen zu erweitern, auch ohne Programmierkenntnisse. Es ist allerdings zu beachten, dass man ohne Programmierkenntnisse schneller an seine Grenzen kommt. So kann es sinnvoll sein, von Anfang an jemanden im Boot zu haben, der auch die Coding Standards der jeweiligen Plattform versteht.»
 
Wie gut ist der Investitionsschutz, gibt es sowas wie eine Update-Garantie?
Henriette Baumann verneint: «Eine Update-Garantie gibt es nicht. Die gibt es jedoch auch nicht bei jedem Nicht-Open-Source-Hersteller. Hier ist bei der Auswahl der Open-Source-Software eben auch die Herstellung zu prüfen – wie breit aufgestellt und wie finanzstark ist der Software-Hersteller, wie aktiv und wie gut finanziert ist eine Community? Wie ist meine Einflussmöglichkeit, kann ich Updates in Auftrag geben? Die Source-Code-Verfügbarkeit schützt die Investition aufgrund der Herstellerunabhängigkeit. Sollte ein Hersteller oder eine Community die Weiterentwicklung einstellen, besteht immer noch die Chance, den Source-Code weiterentwickeln zu lassen.»  
 
Stefan Vogel schränkt ein: «Das hängt nicht davon ab, ob es OpenSource ist oder nicht, sondern ob man Zugriff auf den Code hat oder eben nicht. Hat man den Zugriff, so hat man einen Investitionsschutz, sonst nicht.»
 
Wie aufwendig ist die Implementierung einer Open Source Software im Vergleich zu einer Standardlösung, vom zeitlichen und vom preislichen Aspekt her?
Patrick Belser erklärt: «Die Kosten und der zeitliche Aufwand einer Implementierung hängen sehr stark von der Komplexität der Anforderungen ab. Beim Betrieb jedoch ist eine Open Source Software aufgrund der nicht anfallenden Lizenzgebühren in der Regel wesentlich günstiger.»
 
Oft wird die Sicherheit von Open Source Lösungen angezweifelt. Hat das was?
Henriette Baumann schüttelt den Kopf: «Nein. Auch hier kann man dies nicht pauschal beurteilen. Es gibt auch genügend Closed-Source-Lösungen, die nicht sicher sind. Was man sicher sagen kann, ist, dass Open-Source-Lösungen von Entwicklern weltweit laufend auf Sicherheitslücken geprüft werden.»
 
Und Nick Weisser ergänzt: «Open Source wird generell als sicherer angesehen, da der Code von einer breiten Community geprüft wird. Es hängt aber natürlich auch davon ab, welche Update-Strategie man verfolgt. Es gibt auch sog. Managed Hosting Angebote von OS Software, bei welcher man sich keine Gedanken über Updates machen muss.»
 
 
 

Die kompletten Interviews finden Sie hier: